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Spondylus-Muschel - das neolithische "Gold"

Die Stachelaustern, auch Klappmuscheln (Spondylus) sind eine weltweit in den wärmeren Meeren verbreitete Muschelgattung. In Europa ist die Gattung im Schwarzen Meer, Mittelmeer und dem angrenzenden Atlantik durch die Lazarusklapper (Spondylus gaederopus) vertreten.

Im Neolithikum wurden in Süd- und Südosteuropa Gehäuse der Lazarusklapper zu Schmuckstücken und Kleidungsbestandteilen verarbeitet und über große Entfernungen gehandelt, wie archäologische Funde aus Österreich zeigen, wo auch Perlen von Stachelaustern gefunden wurden. Vermutlich stammten die meisten Gehäuse aus dem Schwarzen Meer.

In Südamerika dienten Gehäuse von anderen Spondylus-Arten wie der tropischen Spondylus pictorum (auf Quechua mullu genannt) bei den Nazca-Kulturen, Moche, Chimú und Inka zur Herstellung von Schmuck und dienten wahrscheinlich auch rituellen Zwecken. Die Arten der Gattung Spondylus werden in vielen Gebieten als Delikatesse gegessen. (1)


Europa

Das beliebteste Tauschobjekt der ersten Bauern in Deutschland zur Zeit der Linienbandkeramischen Kultur vor etwa 5500 bis 4900 v.u.Z. dürfte die Spondylus-Muschel gewesen sein. Diese Muschelart wurde vermutlich aus Südosteuropa importiert. Aus Spondylus-Muscheln hat man Schmuckstücke und Gürtel hergestellt. (2)

Auch als Nahrungsmittel wurden die Muschelteile schon in prähistorischer Zeit verwendet. Im Neolithikum (Jungsteinzeit, ca. 5000-2000 v.u.Z.) wurden innerhalb Europas Muschelhälften als Handelsware genutzt und über weite Strecken transportiert, wie Funde von Muschelschalen in der Bandkeramischen und in der Theiß-Kultur belegen. (3)

Schalen von Spondylus-Muscheln, die in den Gräbern gefunden wurden, könnten als einfache Währung gedient haben. (7)

Aus dem inneren Teil der Grubenanlage Herxheim wurden außerdem drei Spondylusperlen und ein Ring, wahrscheinlich ebenfalls aus Spondylus, geborgen. Ein Knebel aus Spondylus lag als Beigabe bei einer Siedlungsbestattung, die im Inneren der Grubenanlage ausgegraben wurde. (8)

In der Bandkeramik stellte man aus Spondylus Armringe, Gürtelschnallen, Perlen und Anhänger her, sie finden sich vor allem in Gräberfeldern der ältesten und älteren LBK, hier sind Vedřovice in Mähren und Aiterhofen/Ödmühle in Bayern zu nennen.


Eine Schale von Spondylus gaederopus wurde in der Cueva de los Aviones, einer Kalksteinhöhle am Rande von Cartagena in Spanien gefunden. Auf der Innenseite ihrer rund 50.000 Jahre alten Schale befand sich Hämatit was – zusammen mit weiteren Pigmentfunden in dieser Höhle – als erster in Europa entdeckter Beleg für farbigen Schmuck beim Neandertaler interpretiert wurde. Im Neolithikum wurden die Schalen der Stachelauster zu Schmuckstücken verarbeitet und über große Entfernungen verhandelt.

Schmuckstücke aus Spondylus finden sich in der:
Bandkeramischen Kultur (5700-4900 v.u.Z.)
Rössener Kultur (4800-4550 v.u.Z.)
Vinča-Kultur  (5400-4600 v.u.Z.)
Theiß-Kultur (4900-4500 v.u.Z.)
Gumelniţa-Kultur (4600-4250 v.u.Z.)
u.a. (4)


- Griechenland: Spondylus-Artefakte aus der Dimini-Kultur (5100/4800 v.u.Z.), bei Sesklo unbearbeitet ab 6500 v.u.Z.
- Bulgarien/ untere Donau: Hamangia (5100 v.u.Z.), Boian (5100 v.u.Z.), Gumelnitza, Karanovo VI
- mittlere Donau: Vinca (ab 5500 v.u.Z.), Theiss, Lengyel
- Adria-Raum: Danilo (ab 5500 v.u.Z.), unbearbeitet ab 6100 v.u.Z.
- Zentraleuropa: ältere und jüngere LBK (5400/5300 v.u.Z.)

Wohl zwei unterschiedliche Verbreitungsgebiete, einmal über ägäisch-bulgarisch-ostrumänische Route, einmal über westbalkanisch-adriatische Route. Die Spondylustypen der LBK finden sich nicht Schwarzmeerregion und Griechenland. Ende der Nutzung in weiten Teilen Mitteleuropas um 4800 v.u.Z. bzw. 4300 v.u.Z.. Danach erfolgt verstärkte Kupfer-Nutzung. (9)

Amerika

Bei den Nazca-Kulturen, den Moche, den Chimú und bei den Inkas dienten die Muscheln der Spondylus-Arten außer als Delikatesse zur Schmuckherstellung, insbesondere als Halsketten, als Grabbeigabe und vermutlich zu anderen rituellen Zwecken. (3)

Ausgrabungen und moderne archäologische Untersuchungen belegen, dass die pazifische Küste schon vor ca. 5.000 Jahren besiedelt wurde. Die Spondylus stellte bei der inkaischen sowie präinkaischen Kulturen der Chibcha in Kolumbien und der Moche Kultur im Norden Perus ein wichtiges sakrales Schmuckstück dar. Die Muschel wurde auch als Nahrungsmittel der Götter betrachtet und war eine der wichtigsten Grabbeigaben; die Toten mit der Muschel an den Körper gepresst, traten mit dem „göttlichen Muschel-Fahrzeug“ den Weg in ihr nächstes Leben ein. (5)
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Austern, wie auch andere im Meer lebende Muscheln und Kleinkrebse, ernähren sich von Algen, die ein natürliches Gift namens Saxitoxin erzeugen. Besonders während der Algenblütezeit enthalten die Algen vermehrt Saxitoxin, das sich in den Austern konzentriert. Deshalb sollte dann auf den Verzehr der Muscheln verzichtet werden.

Saxitoxin kann beim Menschen akute Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Sie reichen von Prickeln im Mundbereich über eine Lähmung von Armen und Beinen bis zum Tod durch Atemstillstand. Mary Glowacki von der Pre-Columbian Archaeology Research Group in Florida vertritt nun die These, dass es gerade diese Wirkung war, die möglicherweise den Austern, vorab den Spondylus-Muscheln, in den prähistorischen Kulturen Südamerikas zu ihrem besonderen Status verhalf. Seit etwa 3000 v.u.Z. bis in die historische Zeit hinein (17. Jahrhundert) wurden Austern in den Andenkulturen nämlich zu verschiedenen Zwecken verwendet. Die Schalen galten einerseits als wertvoller Schmuck, der den Toten der Oberschicht mit ins Grab gegeben wurde; andererseits wurden sie als kostbare Opfergaben den Göttern dargebracht. Das Austernfleisch wurde auch gegessen. In den «giftigen» Monaten allerdings konnten nur die Götter das Muschelfleisch gefahrlos verzehren, weshalb es als «Nahrung der Götter» oder «Götterspeise» bezeichnet wurde. Die Forscherin vermutet daher, dass die Menschen versuchten, gerade durch den Verzehr der Austern zur «Unzeit» den Göttern näherzukommen. Insbesondere für Schamanen war es wichtig, sich mit verschiedenen Methoden und Substanzen in Trance versetzen zu können. Der Wissenschaft sind verschiedene halluzinogene Pflanzen und Pilze bekannt, welche offenbar von den Andenbewohnern konsumiert wurden, Muschelfleisch war aber bisher nicht dabei. Die Wirkung von Saxitoxin ist laut neueren Untersuchungen sehr von der Person abhängig. Das heißt, die gleiche Dosis kann wirkungslos bis tödlich sein. Weil Saxitoxin wasserlöslich ist und wieder ausgeschieden wird, können Menschen mit hoher Toleranz als «Filter» wirken. Ihr Urin enthält aber noch genug giftige Substanzen, um für Personen mit tiefer Toleranz wirksam zu sein. (6)

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Quellen:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Stachelaustern
(2) http://archaeologie-welt.blogspot.com/2007/05/
(3) https://www.muschel-kreation.de/Antike-2.html
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Stachelauster
(5) http://www.fernreisen-naturreisen-erlebnisreisen.de/926-geschichte-der-spondylusroute-in-ecuador/
(6) https://www.nzz.ch/articleD8CGP-1.179482
(7) http://www.wikiwand.com/de/Gräberfeld_von_Warna
(8) http://www.projekt-herxheim.de/schmuck.htm
(9) "Neolithische und chalkolithische Spondylus-Artefakte - Anmerkungen zu Verbreitung, Tauschgebiet und sozialer Funktion" - Johannes Müller:
http://www.academia.edu/1347449/Neolithische_und_chalkolithische_Spondylus-Artefakte._Anmerkungen_zu_Verbreitung_Tauschgebiet_und_sozialer_Funktion




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