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Theorien für kulturelle Veränderungen


Für jeden Begriff gibt es je nach Fachgebiet, Autor und Perspektive viele (zum Teil deutlich) voneinander abweichende Definitionen. Das folgende Kurzschema, das im Wesentlichen aus dem dtv-Atlas Ethnologie von Dieter Haller abgeleitet wurde, erhebt von daher keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit oder Vollständigkeit:

Adaption: existentiell notwendige Anpassungen an Umweltveränderungen

Invention: Einführung neuer Prinzipien, Werkzeuge oder Bräuche, die von der Gesellschaft als vorteilhaft gewertet werden (bspw. neolithische Revolution)

Gesellschaftlicher Fortschritt: notwendige oder gewollte Anpassung an die Eigendynamik der kulturellen Entwicklung (Demokratisierung, Globalisierung)

weltanschauliche Differenzierung: Wandel durch unterschiedliche Deutung und Interpretation der Welt

Diffusion: freiwillige oder notgedrungene Übernahme eines kulturellen Elementes von fremden Kulturen

Akkulturation: umfassende Anpassungsprozesse beim Kontakt zweier unterschiedlicher Kulturen


Sozialer Wandel – Wikipedia

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Diffusionismus bezeichnet eine Reihe sozial- und kulturwissenschaftlicher Theorien zur Erklärung kultureller Entwicklung und Ausbreitung in Zusammenhang mit Ähnlichkeiten zwischen benachbarten und auch weit voneinander entfernt liegenden Kulturen (Gesellschaften). Eine Grundannahme dieser Forschungsansätze besagt, dass kulturelle Neuerungen (Innovationen) weltweit nur selten erfunden werden und sich anschließend zu anderen Kulturen ausbreiten.

Die meisten Vertreter des Diffusionismus setzten keine einzelne Urkultur, sondern lediglich eine begrenzte Anzahl von Kultur-Zentren voraus. Theorien, die davon ausgehen, dass sich alle kulturellen und technischen Innovationen von einem einzigen Ausgangspunkt herleiten lassen, werden auch als Hyperdiffusionismus bezeichnet.

Im Gegensatz zum Diffusionismus stehen Theorien der soziokulturellen Evolution, des Evolutionismus und der Memetik (Verbreitung von Bewusstseinsinhalten). Eine mittlere Position zwischen diffusionistischen und evolutionistischen Theorien vertritt das Konzept der Kontaktinnovation an der Grenzlinie zwischen zwei Kulturen, das beispielsweise in der Sprachwissenschaft und Archäologie eine Rolle spielt.

In den Fachgebieten Anthropologie und Ethnologie, Archäologie und Kulturgeographie werden diffusionistische Theorien jedoch kaum anerkannt

Diffusionismus – Wikipedia

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Akkulturation bezieht sich als weit gefasster Oberbegriff auf alle Anpassungsprozesse von Personen oder sozialen Gruppen an eine Kultur in Hinsicht auf Wertvorstellungen, Sitten, Brauchtum, Sprache, Religion, Technologie und anderes.

Nach John W. Berry lassen sich aus der Migrationsforschung vier Strategien bzw. Formen der Akkulturation ableiten:
Segregation oder Separation: Beibehaltung der eigenen Kultur ohne Kontakt zur Mehrheit. Die Minderheit strebt eine weitgehende kulturelle Isolation an und lehnt die dominante Kultur ab.

Integration: Weitgehende Beibehaltung der eigenen Kultur mit Kontakt zur Mehrheit und gegenseitiger Beeinflussung. Beide Gruppen streben nach Multikulturalität.

Assimilation, auch Inklusion: Aufgabe der eigenen Kultur mit Kontakt zur Mehrheit. Der Prozess führt zur Verschmelzung mit der dominanten Kultur.

Marginalisierung, auch Exklusion: Aufgabe der eigenen Kultur ohne Kontakt zur Mehrheit. Diese Form folgt häufig auf eine kulturelle oder ethnische Entwurzelung.



Als Kontaktinnovation bezeichnet man Innovationen, die durch interpersonale Kommunikation (z. B. mit unzufriedenen Kunden oder anderen Akteuren in der Umwelt) ausgelöst, weitergegeben bzw. übernommen werden. Auch bezeichnet man Innovationen, die an den Grenzlinien zweier Kulturen oder sozialer Systeme entstehen und aus denen sich für beide Systeme Innovationseffekte oder andere Emergenzphänomene ergeben.


Die Erfindung der Bronze wird durch Kontaktinnovation erklärt, da die hierfür benötigten Grundstoffe Kupfer und Zinn in der frühen Bronzezeit, also im 3. Jahrtausend v.u.Z., in weit voneinander entfernten Regionen gewonnen wurden. Während das Kupfer aus Anatolien oder dem Kaukasus kam, stammte das Zinn vermutlich aus dem Serafschan im heutigen Tadschikistan. Außerdem sind sowohl Kupfer als auch Zinn weicher als Bronze, so dass die Legierung wohl kaum durch systematisches Experimentieren und gezielte Suche nach einem härteren Werkstoff zustande kam, sondern durch Zufallskontakte oder ritualisierten Austausch von glänzenden gediegenen Metallen.

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Als Evolutionismus wird eine theoretische Ausrichtung in der Ethnologie und benachbarten Sozialwissenschaften bezeichnet, die verschiedene Entwicklungsstufen menschlicher Gesellschaften mit einer Höherentwicklung annimmt. Diese theoretische Perspektive wurde einer tiefgreifenden Ideologiekritik unterzogen, wird heute jedoch als Neoevolutionismus modifiziert weiter beibehalten.


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Diffusion und Migration
Das wohl extremste Beispiel eines solchen migrationistischen Modells liefert M. Gimbutas, daneben existieren aber auch moderatere Modelle, aber auch die werden als Erklärungen zunehmend unbefriedigender, da der scheinbare Kulturbruch von der aktuelleren Forschung immer mehr relativiert werden muss und kulturelle Kontinuität zwischen Neolithikum und Kupferzeit in immer mehr Teilbereichen wahrscheinlich gemacht werden kann.


Ökonomisch-deterministische und evolutionistische Ansätze
Gehen von dem gemeinsamen Grundgedanken aus, dass eine menschliche Bevölkerung überwiegend passiv auf (externe und interne) Veränderungen reagiert. Ihr Verhalten ist größtenteils determiniert, ökonomischer und kultureller Wandel ist primär eine notwendige, erzwungene Reaktion zur Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen.


Umweltveränderungen und Katastrophenszenarien
Deutungsversuche, bei denen ökologischen oder anderen Katastrophen die Rolle des Impetus für den beobachteten gesellschaftlichen und kulturellen Wandel zugeschrieben wird, haben in der Archäologie lange Tradition und können als Extremform deterministischer Modelle angesehen werden.


Prozessuelle Ansätze
Die prozessualistischen Modelle besitzen meist einen mehr oder weniger explizit evolutionistischen bzw. deterministischen Hintergrund. Als Hauptursache kultureller Entwicklungen werden zumeist ökonomische und ökologische Anpassungs- und Optimierungsstrategien und damit verbunden soziales Macht- und Dominanzstreben angenommen.


Sozioökonomische Ansätze
Unterscheiden sich insofern, als dass sie in stärkerem Maße interne soziale und kulturelle Dynamik neben ökonomischen Prozessen als treibende Kraft gesellschaftlichen Wandels akzeptieren.


(PDF) Das Ende der neolithischen Tellsiedlungen. Ein kulturgeschichtliches Phänomen des 5. Jahrtausends v. Chr. im Karpatenbecken. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 134 (Bonn 2006) | Thomas Link - Academia.edu

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