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Athtart in syrischen Texten der Spätbronzezeit

 Athtart in syrischen Texten der Spätbronzezeit

Mark S. SMITH


Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf ‛Athtart in Ugarit und ‛Ashtart, wie sie im Textmaterial aus Emar bezeugt ist. Während Emar viel reicher an kultischen Texten ist, ist Ugarit reicher an literarischen Texten.

William Foxwell Albright formulierte: "Der Name ‛Athtart war immer mit dem Abendstern verbunden, so wie ‛Athtar (der entsprechende männliche Name) in der gesamten westsemitischen Welt von Syrien bis Südarabien immer mit dem Morgenstern verbunden war. Die Alten waren sich schon früh der Tatsache bewusst, dass Abend- und Morgenstern lediglich Manifestationen desselben Wesens sind - denn sie sahen, dass beide die gleiche Größe haben und nie zusammen erscheinen, jedoch immer in verwandten Positionen am Himmel."
Andere Autoren machen eine Analogie zu Ishtar und ihrem scheinbar männlichen Gegenstück in Mesopotamien. Da sowohl ‛Athtar, als auch Ishtar, einen astralen Charakter aufweisen, scheint es  vernünftig, dass dies für ‛Athtart ebenfalls gilt.

In frühen mesopotamischen Texten (z. B. Mari) wird Ischtar oft als Ashtar gelesen; in diesen Fällen handelt es sich um ein und dieselbe Figur. Dies ist auch die Grundlage für die weibliche Form von Ashtar in Ebla. Trotz dieser Tendenz in der Wissenschaft ist es bemerkenswert, dass es keine klaren westsemitischen Beweise für die Gleichsetzung von ‛Athtart und ‛Aschtart gibt. Angesichts der Tatsache, wie sehr ‛Athtart dort mit anderen Gottheiten assoziiert wird, mag es überraschend erscheinen, dass sie nicht mit ‛Athtar assoziiert wird. Albrights Verallgemeinerung für eine astrale ‛Athtart, wie er schrieb, "in der gesamten westsemitischen Welt" ist daher höchst unverhältnismäßig zu den Beweisen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht so war, denn wir können nicht davon ausgehen, dass die gefundenen Texte vollständig repräsentativ sind.

David M. Clements kommentiert: "Die wiederkehrende Betonung von ʿAttartu in einer Vielzahl von Dokumenten aus dem royalem Palast weist auf die Bedeutung dieser Gottheit für die ugaritische Dynastie und ihre Verwaltung hin. Dies deutet darauf hin (wenn auch nicht schlüssig), dass er [der Tempel] sich in der Nähe von Ugarit befand, wenn auch nicht innerhalb des Palastkomplexes selbst."

Ein weiteres Heiligtum, das anscheinend zu ‛Athtart/Ischtar gehört, wird in einem akkadischen Text aus Ugarit erwähnt, RS17.22 + 17.87:21-23

...das kunaḫi-Haus von Ishtar;
es ist (soll?) heilig sein für [Ishtar]
und [an?] Ishtar übertragen (werden).

 Kleidung für die Göttin, d.h. ihre Statue, ist in KTU 4.245 I 1 und 11 bezeugt. Ein Epitheton scheint  "Feld" oder "Steppenland" zu bedeuten, was möglicherweise den Ort eines Heiligtums darstellt, aus dem die Göttin im königlichen Einzugsritual in KTU 1.91:10 kommt. Dies dokumentiert auch die Verwendung von Wein in den königlichen Ritualen: "Wenn "Athtart des Feldes" (als Gegenstück zu "Ischtar des Steppenlandes") das Haus des Königs betritt". KTU 1.112:13 bezieht sich auf eine Opfergabe in einem Krug mit Wein für Athtart. 
Athtart ist außerdem aus drei Beschwörungstexten bekannt. Zwei davon sind Beschwörungen gegen Schlangenbisse. Das Besondere an Athtart in diesem Fall ist, dass ihr Name mit dem von Anat kombiniert wird.

Die Götterlisten und Briefe vermitteln einen unterschiedlichen Eindruck von der Bedeutung der Göttin in Ugarit. Einerseits scheinen die Götterlisten sie in einer relativ unwichtigen Position zu zeigen, bspw. erscheint sie in einer der Listen als letzte Göttin in den Gruppe, wobei die Reihenfolge darauf hin deutet, dass das "Ritual Athtart" nicht sonderlich wichtig ist. Andererseits scheint die  "politische Athtart" in den Briefen  dagegen wichtiger zu sein.

Ugaritischer Brief, 2.42:6-9
"Ich spreche in der Tat zu Ba‛al Sapun (?), ...zur Ewigen Sonne, zu ‛Athtart..., zu Anat, zu allen Göttern von Alishiya...".

In Emar ist Ashtart eine bedeutende Göttin. Sie genießt nicht nur einen großen Kult, sondern auch einen großen Tempel auf dem höchsten Punkt von Emar.


Göttin derJagd
Die Rolle der Athtart, aus den Texten von Ugarit und Emar, beinhaltet oft die Jagd. 

KTU 1.92.
Athtart die Jägerin...
Sie geht in das Hinterland...
Ihr Auge schaut, und dort...
...
Athtart sitzt in ihrem Dickicht ...
... sie hebt die Augen und...
...
Ihren Speer nimmt sie..,
in ihrer rechten Hand...
...
Das Fest für El's Haushalt
(Dem) Stier, ihrem Vater, El, sie dient...
Sie gibt Yarikh (Mondgott) zu essen

Der kulturelle Hintergrund der göttlichen Jagd ist aus dem ugaritischen Korpus als solchem nicht ersichtlich, es sei denn, wir können uns auf die Geschichte von Aqhat berufen. Aqhat erhält den göttlichen Bogen und die Pfeile von seinem Vater Danil, der zu ihm sagt (KTU 1.17 V 37-39): "Das Beste aus deiner Jagd, mein Sohn, ... das Beste aus deiner Jagd, sieh ... ". Hier scheint Aqhat aufgefordert zu werden, zu jagen und das Beste zu nehmen oder das Beste oder das Erste seiner Jagd in einen Tempel zu bringen. Da in der nächsten Spalte (KTU1.18 VI) eine Begegnung zwischen der Göttin Anat und Aqhat geschildert wird, kann man vermuten, dass es sich um ihren Tempel handelt. Die rituelle Jagd ist jedoch belegt für ‛Ashtart in den Quellen aus Emar.

In den Texten aus Emar (insbesondere  Emar 446:87-90) scheint Ashtart in Verbindung zu Ba´al zu stehen. Die die Jagd des Gottes Ba‛al wird unmittelbar nach der Jagd auf die Göttin erwähnt. Im Gegensatz dazu ist der Gott im Ugaritischen als Jäger bekannt (z. B. KTU 1.10 II), aber nie im Tandem mit der Göttin.

Anat und Athtart erscheinen in einer Reihe von Texten als jagend, während jedoch klar scheint, dass von Menschenfrauen erwartet wird, dass sie nicht jagen, wie Aqhats Antwort auf Anat zeigt. Er sagt zu der Göttin (KTU 1.17 VI 40), entweder als Frage, "jagen nun Frauenvölker?" oder vielleicht als sarkastische Behauptung: "nun jagen Frauenvölker!"

Göttin der Heilung
In einem spätaramäischen Text in demotischer Sprache, im ugaritischen KTU1.114 und in einem Londoner Medizinischen Papyrus der nordwestsemitische Beschwörungsformeln  in hieratischer Silbenschrift enthält, wird Athtart, teils in Verbindung mit Anat, als Heilerin beschrieben


Göttin des Krieges
Die Belege, die für Athtart in Ugarit als Kriegerin sind begrenzt und nur spärlich vorhanden. In KTU 1.2 I 40 wird sie als Teilnehmerin an der Bändigung des Gottes Ba‛al beschrieben. Texte aus Emar sind aussagekräftiger, schon allein wegen des weit verbreiteten Titels "Ashtart des Kampfes".

Emar 460 erwähnt diese Ashtart mehrmals:
Zeile 1: "Diese Tafel ist der Schrei der Ashtart des Kampfes "
Zeile 6: "Weihe von Ashtart des Kampfes "
Zeile 9: "Weihe des Priesters von Ashtart des Kampfes"  

Joan Goodnick Westenholz kommentiert: "Der Kult der Aštarte-des-Kampfes war wahrscheinlich die Grundlage des Ashtarte-Kultes in Emar ..."

Ein spätbronzezeitliches Siegel aus Bethel scheint die Göttin als Kriegerin darzustellen und enthält die Schreibweise ihres Namens in Hieroglyphen. Sie ist auch als eine der westsemitischen Kriegsgöttinnen im Neuen Reich Ägyptens bekannt.  In "Astarte und das Meer", einer lokalen ägyptischen Version eines westsemitischen Mythos, wird sie als "zornig und stürmisch" bezeichnet. Der Fluch im Vertrag von Esarhaddon mit Ba‛al von Tyrus beschwört sie: "Möge Astarte deinen Bogen im Kampf zerbrechen und dich zu den Füßen deines Feindes kauern lassen." Diese Charakterisierung deckt sich mit dem Titel der Ishtar als "Herrin des Kampfes und des Krieges" aus derselben Zeit.


Es gibt Indizien für die Paarung von Ba‛al und Ashtart in Emar (insbesondere in den Ritualen der Jagd in Emar 446). Jedoch handelt es sich dabei um höchst spekulative Deutungen. Spätere Belege für die Göttin als Ba‛al's Gattin, scheint es mehr zu geben. Eine neopunische Widmungsinschrift aus Mididi in Tunesien  lautet wie folgt:

Heiligtum gebaut für Aschtart, Gemahlin von Ba‛al;
die Bürger von Mididi bauten (es).

Ein ähnliches Bild scheint einer Beschreibung der beiden Gottheiten bei Philo von Byblos zugrunde zu liegen (PE  1.10.31): "Die großartige Astarte und Zeus, die beide als Demarous und Adodos, König der Götter, bezeichnet wurden, herrschten mit der Zustimmung von Kronos über das Land."

 Wie von Saul M. Olyan festgestellt, sind hier Astarte und Zeus zusammen, mit anderen Worten: Ba‛al.

Es ist möglich, dass die wenigen Belege, die wir haben, darauf hindeuten, dass es sich bei dieser Beziehung um ein besonders levantinisches Phänomen handelt, denn wie bereits erwähnt, sieht Fleming diese Paarung als ein küstennahes (möglicherweise kanaanitisches) Phänomen an, das nicht unbedingt aus dem Binnenland von Emar stammt.

Die Göttin als der "Name von Ba‛al" ist aus zwei parallelen Pas-Sprüchen bekannt, die einen Fluch beinhalten, KTU 1.2 I 8 = 1.16 VI 56: 
Möge Horanu zerbrechen, o Yammu, 
Möge Horanu deinen Kopf zerbrechen, 
Athtartu-Name-von-Ba‛al, deinen Schädel.

Möge Horanu zerbrechen, mein Sohn, 
Möge Horanu deinen Kopf brechen, 
Athtartu-Name-von-Baʿlu, deinen Schädel."

Die Göttin trägt den Titel "Name von Ba‛al," auch in einer phönizischen Königsinschrift aus Sidon aus dem fünften Jahrhundert (KAI14:18)



weiter: 3.2. Combination of ‛Anat and other deities



Bild: Statuettenfigur einer Göttin mit gehörntem Kopfschmuck, Louvre Museum (AO20127), möglicherweise Ishtar, Astarte oder Nanaya. Von der Nekropole von Hillah, in der Nähe von Babylon








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