aus: „Harz und Zeder mögen euch hervorrufen“ – Über die Räucherkultur im Alten Orient, in: R. Hempelmann/J. Becker/ E. Rehm (eds.), Kulturlandschaft Syrien – Zentrum und Peripherie, Festschrift für Jan-Waalke Meyer, Alter Orient und Altes Testament 371 (2010), pp. 449–480.
„Da aber holte ich ein Opfertier hervor, den vier Winden brachte ich es dar. Ich streute Räuchergaben hin, oben auf den Sturmturm aus Fels, und stellte sieben und sieben Opfertrankflaschen auf. Ihnen zu Füßen schüttete ich Rohr, Zeder und Myrthe hin. Die Götter aber rochen den Duft, die Götter rochen den süßen Duft, die Götter kamen alsbald wie die Fliegen über dem Opferspender zusammen“ (Gilgamesch-Epos: 11. Tafel, Zeile 157–164).
Nicht nur im Mythos, auch für die Praxis galt der Rauch als Lockmittel für Götter.
Räucherwerk konnte im Alten Orient in vielen Bereichen eingebracht werden. Im Kult war es neben dem Rauchopfer auch Teil der Lebensmittel- und Trankopfer, wurde bei Reinigungs- und Lösungsritualen verwendet und war Bestandteil der Weissagung durch Rauch, der Libanomantie. Wahrscheinlich kann man davon ausgehen, dass schon früh geräuchert wurde. Die ersten schriftlichen Hinweise stammen aus Syrien aus dem 3. Jahrtausend v.u.Z.; in Mesopotamien findet sich ein früher Beleg bei König Gudea:
„Asari hat dafür gesorgt, dass das Haus in Ordnung ist, Nin-mada gab Ratschläge, König Enki gab Orakelbotschaften. Nin-duba, erster Lustrationspriester von Eridu, füllte (das Haus) mit Weihrauch“
Die Räucherstoffe wurden gewöhnlich auf Holzkohle aus Kameldorn und Wacholder zum Glühen gebracht. Als Räuchersubstanzen erwähnen dieTexte vor allem Hölzer und Mehl. Unter den Hölzern nimmt die Zeder die höchste Stellung ein. Danach folgen Koniferengewächse wie der sehr beliebte Wacholder. Genannt werden unter anderem auch Zypresse, Myrte, Myrre und Holunder. Weihrauch (labanātu) scheint aber erst in der Mitte des 1. Jahrtausends v.u.Z. in Mesopotamien in Gebrauch gekommen zu sein; es findet sich dann allerdings vor allem in medizinischen Texten.Von den Bäumen und Sträuchern wurde nicht nur das Harz verwendet, sondern neben dem trockenen Blattwerk auch das Holz. Dass es wie in der heutigen Zeit ein großes Angebot von unterschiedlichen Hölzern und Mischungen gab, spiegeln die Keilschrifttexte wieder, in denen verschiedene, oft noch nicht bestimmte Sorten genannt werden.
Ein weitaus preiswerteres, aber ebenso beliebtes Material war Mehl. Eine Anzahl von Sorten wird in den Texten aufgezählt, diese sind allerdings nicht weiter spezifizierbar und werden mit den Begriffen „Mehl“, „Röstmehl“oder „Feinmehl“ übersetzt. Ob es sich bei dem Mehl wirklich immer nur um gemahlenes Getreide und nicht manchmal auch um eine Mischung von Mehl und Duftölen oder gar um Holzmehl der genannten Sträucher und Bäume handelte, kann nicht gesagt werden. Zu den beiden Hauptsubstanzen Holz bzw. Harz und Mehl wurden gelegentlich auch Salz und Schwefel als Rauchtreiber zugefügt.
Das reine Räucheropfer wurde in den Texten nur kurz beschrieben:
„Räucherwerk legt er in die Räucherschale“
bzw.
„Mit einer Fackel setzt er die Räucherschale in Brand“
(aus einem assyrischen Königsritual)
Präziser wird der Ablauf in einem Lösungsritual, einem Namburbi-Text,geschildert:
„Die Füllung eines Räuchergefäßes mit Wacholder streust du auf Holzkohle aus Kameldorn.“
oder in einer Anweisung für den Beter amSchluss eines Gebetes an Ischtar:
„Vor Ischtar schüttest du eine Räucher- gefäßfüllung von Wacholder auf Kohlen von Akazienholz“.
Handelte es sich um eine Opferung mit Lebensmitteln, konnten die Instruktionen noch genauer sein, wie ein anderes Namburbi-Ritual verrät:
„[...] in der Nacht sollst du sieben Kohlebecken aufreihen (und dann) Kornelkirschbaumholz, Ebenholz, (Wacholderholz), (und) Rohr auflegen. Zedernholz, Zypressenholz (und) ‚Süßrohr’ legst du quer (darüber). Holzkohle aus einer ungebrannten, dünnwandigen Schale fügst du hinzu und bläst mit Hilfe des Schwefels das Feuer an“.
Nach weiteren Angaben, unter anderem für das Schlachten eines Zickleins, folgt:
„Sobald die angezündeten Kohlebecken zur Ruhe gekommen sind – also nachdem das Feuer der Glut gewichen ist – legst du Fettgewebe auf die sieben Kohlebecken. Zedernholz, Zypressenholz, Myrte, ‚Süßholz’, ballukku, Galbanum, Holunder, kukru-Kraut, shumalû-Kraut, Wacholder, Wacholdersamen, Wermut, Melisse (und) Sagapenum schüttest du hin(zu). Zwei Liter Mehl streust du aus (und) läßt (das) die ganze Nacht brennen“.
Die Orte, an denen geräuchert wurden, waren vielfältig. Grundsätzlich musste der Platz für kultische Räucherungen außerhalb des profanen Bereichs liegen. Bei regelmäßigen Götteropfern konnten sie im Tempelbereich stattfinden, wobei der Opferaltar – trotz regelmäßig abgehaltener Zeremonien – ein mobiles Altärchen war, denn feste Opferaltäre sind selten belegt. Aber auch Opferungen und damit Räucherungen außerhalb des Temenos („Tempelbezirk, Heiligtum“) sind bekannt, bspw. beim Neujahrsfest oder bei Kriegszügen. Die bei Ritualen in den Anweisungen geforderten Orte waren oft schwerzugänglich („ašar šēpu parsat“ = Ort, von dem der Fuß ferngehalten ist). Es handelte sich immer um Stellen, die sonst von niemandem aufgesucht wurden und auch die aus anderen Gründen rein waren. Bei einem Löseritual, welches das Böse von einer betroffenen Person nehmen sollte, war es zudem wichtig, dass keine weiteren Personen zugegen waren, da ansonsten das Böse bei der Lösung auf diese hätte übergehen können.
Für Reinigungs- und Schadenszauberriten eines immobilen Ortes wie eines Hauses suchte man die verunreinigte Stelle auf, die durch die Kulthandlung erneuert werden musste. Oft aber waren auch wie bei Omina die Plätze in dem Sinne vorgegeben, dass man sie an dem Ort vollziehen musste, an dem man sich gerade aufhielt.
Ausschlaggebend war bei den Opfern der Anlass – bei einem großen Fest wurde mehr geopfert als beim täglichen Opfer – und das Vermögen des Spenders. Es heißt:
„Der Opferschauer bringt dir Zedernharz, die Witwe Röstmehl. Eine arme Frau Öl, der Reiche in seinem Reichtum bringt ein Lamm“.
Einen weiteren Einsatz erfuhren Räuchern und Rauch in der Libanomantie, der Weissagung der Zukunft durch das Verhalten des Rauches. Obwohl nur wenige Texte, vor allem aus der altbabylonischen Zeit, existieren, kann man davon ausgehen, dass diese Praxis auch noch im 1. Jahrtausend v.u.Z. im Einsatz war.
Neben diesen rein kultischen Verwendungen, zu denen auch der Totenkult gehörte, kam Rauch in der Medizin zum Einsatz. Dabei spielte die magische Austreibung wohldie größere Rolle, als die antiseptische Wirkung des Rauchs.
Im 1. Jahrtausend v.u.Z. stand der Wohlgeruch auch mit Luxus in Verbindung und begleitete Festmähler der führenden Klasse. Ein assyrisches Königsmahl beschreibt das Prozedere. Die Dienstanweisung beginnt folgendermaßen:
„Am Tage des (Fest-)Mahles, wenn der König (samt den Großen) zum Mahle hineingeht“. Später heißt es: „ ... der Zügelhalterbringt zwei Räucherschalen hinein, eine setzt er zur Rechten des Königs, eine zur Linken des Königs neben dem Diwan nieder. Ein Diener reicht Räucherwerk dar. Wenn das Räucherwerk zu Ende geht, geht der Lakai hinaus“.
Hinzu kommen Informationen über die Räuchergeräte selber. So sind verschiedene Bezeichnungen bekannt, die man aber nur grob den gefundenen oder abgebildeten Objekten zuweisen kann. Texte wie Funde belegen als Material für die Räuchergeräte oder -schalen Edelmetall, Bronze, Stein und Keramik. So gab es seit dem 3. Jahrtausend v.u.Z. hohe konkave Keramikständer, die oft in Tempelbereichen gefunden wurden. In einem neubabylonischen Text wird ein Räuchergerät aus Silber genannt. Das Gewicht für das aus mehreren Teilen zusammengesetzte Gerät erreichte 12,5 Kilo. In einem anderen Text stehen 8 Minen, also 4 Kilogramm, für 2 Räuchergefäße.
Bild: Kudurru des Melischpak (1186–1172 v.u.Z.) mit seiner Tochter vor der thronenden Göttin Nanaja, mit einem (vermutlich) metallenen Räucherständer
Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kudurru_Melishipak_Louvre_Sb23.jpg
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