Ägäische Schriftsysteme sind eine Gruppe von Hieroglyphen- und Linear (Silben/Strich)-Schriften, die im östlichen Mittelmeerraum und im angrenzenden anatolischen und syrischen Raum während der späten Bronzezeit und der frühen Eisenzeit verwendet wurden. Sie sind weitgehend verwandt aber nur teilweise entziffert.
1. Kretische Hieroglyphen sind die älteste minoische Schrift. Sie wurde vorzugsweise auf Kreta und den Inseln Kythera und Samothrake verbreitet. Sie wurden zwischen 1900 und 1700 v.u.Z. verwendet. Es gibt etwa 100 verschiedene Silbenzeichen auf etwa 330 Schriftträgern. Dazu kommen vier Zahlzeichen (1, 10, 100, 1000), ein Worttrennungsstrich und ein Kreuz, das vermutlich den Textanfang andeutet. Aufgrund der Anzahl an wortbildenden Zeichen handelte es sich – wie bei Linear A – mit Sicherheit um eine Silbenschrift. Sie sind nicht entziffert, gelten aber als Vorläufer von Linear A, das an denselben Orten entwickelt wurde.
Aus grünem Jaspis gefertigtes Siegel mit kretischen Hieroglyphen; 1800 v.u.Z.
Kretische Hieroglyphen (um 1900–1600 v.u.Z.)
2. Linear A wurde schwerpunktmäßig auf Kreta verwendet, verbreitete sich aber auch aufs griechische Festland. Einzelne Funde stammen aus Palästina (Lachisch), dem ägyptischen Auaris (15. oder 16. Dynastie), aus Kythera, von den Kykladen, aus Milet, aus Troja und von Samothrake. Sie wurde etwa zwischen 1635 und 1450 v.u.Z. verwendet. Es gibt etwa 1400 Texte, 7300 Zeichen, 70 Silbenzeichen und 200 Logogramme. Aus Linearschrift A wurden später die an das Griechische angepasste Linearschrift B sowie die kypro-minoische Schrift entwickelt.
Die große Zahl von logographischen Zeichen ermöglicht die inhaltliche Erschließung aufgefundener Texte. Es wird angenommen, dass die auf Tontäfelchen eingeritzten Notizen häufig der Verwaltung dienten, so dass ihre Entzifferung vor allem Rückschlüsse auf wirtschaftliche Verhältnisse der Epoche ermöglichen würde. Einige Zeichen der Linear A sind den archaischen Urbildern der mesopotamischen Keilschrift sehr ähnlich. Harald Haarmann sieht bei 40 % bis 50 % des Zeicheninventars von Linear A Äquivalenzen mit der Donauschrift.
Bruchstücke von Linear-A-Täfelchen aus Akrotiri
Linearschrift A
3. Linear B (15.-12. Jhr. v.u.Z.) wurde zuerst nur in den Orten am griechischen Festland geschrieben und folgt dort zeitlich auf Linear A. Sie ist fast vollständig entziffert und gibt die Älteste aufgezeichnete Form des Griechischen wieder, des Mykenischen. Später erfolgte eine Ausbreitung nach Kreta, wo sie ebenfalls Linear A ablöste. Mit dem Untergang der mykenischen Kultur verschwand diese Schrift. Sie war den späteren Griechen nicht mehr bekannt.
Bekannt sind etwa 90 Silbenzeichen, 160 Zeichen mit Wortbedeutung sowie diverse Zahlzeichen. Geschrieben wurde von links nach rechts.
In der bronzezeitlichen Befestigung bei Bernstorf (Bayern) wurden zwei Bernsteinamulette mit je drei Zeichen einer frühen Linear-B-Schrift gefunden. Sollte die Echtheit dieses Fundes eindeutig erwiesen werden, lieferte er einen wichtigen Beleg für die Handelswege des 15. Jahrhunderts v.u.Z.
Schriften aus Mykene in Linear B
4. Die kypro-minoische Schrift (oder Linear C) findet sich von Zypern (C1, 16.-11. Jh. v.u.Z.) über Enkomi (C2, 13.-12. Jh. v.u.Z.) bis zur levantinischen Küste in Ugarit und Byblos (C3, 13. Jh. v.u.Z.). Sie sind dem Linear A aufs engste verwandt. Das Textcorpus besteht hauptsächlich aus vermutlich literarischen Texten.
Kypro-minoisches Tonkügelchen (CM I)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ägäische_Schriftsysteme
https://de.wikipedia.org/wiki/Kretische_Hieroglyphen
https://de.wikipedia.org/wiki/Linearschrift_A
https://de.wikipedia.org/wiki/Linearschrift_B
https://de.wikipedia.org/wiki/Kypro-minoische_Schrift
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