Direkt zum Hauptbereich

Das Ende der neolithischen Tellsiedlungen im Karpatenbecken

aus: Das Ende der neolithischen Tellsiedlungen. Ein kulturgeschichtliches Phänomen des 5. Jahrtausends v. Chr. im Karpatenbecken. 

Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 134 (Bonn 2006)

Thomas Link


Karpatenbecken (betrifft Teile der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Ukraine, Serbien) im Übergang von der Jungsteinzeit zur Kupferzeit um 4500–4400 v.u.Z. 

Die Gegensätze zwischen neolithischen und äneolithischen Kulturen äußern sich zum einen durch neuartige Bestattungssitten in der frühen Kupferzeit. Während im Spätneolithikum Bestattungen zumeist innerhalb der Siedlungen vorgenommen wurden, entstehen nun von den Siedlungen separierte Gräberfelder. Im Gegensatz zu den Siedlungen werden sie über längere Zeiträume hinweg kontinuierlich belegt.  Die Beigabenausstattung bietet Anhaltspunkte für soziale Differenzierung der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang spielen nun auch Metallobjekte eine zunehmend bedeutende Rolle. Insbesondere sind kupferne Hammeräxte zu erwähnen, die in Gräbern und Depots zu finden sind, sowie Perlen, Ringe und Armreife aus Kupfer und durchlochte Goldscheiben, wie sie ähnlich auch aus anderen Kulturen der frühen bzw. mittleren Kupferzeit bekannt sind. 

Gleichzeitig findet aber ein ebenso grundlegender Wandel der Siedlungsstrukturen und Bauformen statt. Das Siedlungssystem des frühen und mittleren Äneolithikums baut gegenüber dem des Spätneolithikums wieder auf kleinen, verstreuten Dörfern und Weilern auf. Große Zentralsiedlungen verschwinden, die räumliche Fluktuation der Siedlungsstellen verstärkt sich und es kommt damit nicht mehr zur Bildung von Siedlungshügeln. Die kupferzeitlichen Häuser sind kleiner und leichter gebaut als die massiven Bauten des Neolithikums. Tellsiedlungen und andere große Zentralsiedlungen, die kennzeichnend für das neolithische Siedlungssystem waren, verschwinden. Die kupferzeitlichen Ansiedlungen sind deutlich kleiner und verstreuter, außerdem wurden sie offenbar häufiger verlegt – ihnen fehlt die lang andauernde Ortskonstanz der Tells und damit eine grundlegende Vorbedingung für tellartiges Schichtwachstum. Zwar finden sich auf einigen Hügeln auch kupferzeitliche Nutzungsspuren, diese stehen jedoch nicht in kontinuierlicher Besiedlungsentwicklung. Die stratigraphischen Entwicklungen der spätneolithischen Tells enden meist vor oder mit dem Beginn der Kupferzeit. In einigen Fällen entsteht nach dem Besiedlungsabbruch unter einsetzender natürlicher Bodenbildung eine weitgehend befundlose Schicht, der so genannte „äneolithische Humus“. Das Ende der Tells tritt aber nicht abrupt und gleichzeitig, sondern vielmehr in der Entwicklung der verschiedenen Siedlungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf. Viele Hügel wurden in späterer Zeit erneut besiedelt; insbesondere in der Bronzezeit kommt es zur erneuten Nutzung und der Neuentstehung zahlreicher Tells.

Trotz des Wandels kommt es zu keinem Kulturbruch; die äneolithischen Kulturen entwickeln sich kontinuierlich aus den spätneolithischen, wie am deutlichsten die weitgehend bruchlose typologische Evolution der Keramik vom Spätneolithikum über die frühe bis in die mittlere Kupferzeit zeigt.

Während das spätneolithische Siedlungssystem durch große, dicht bebaute, ortsfeste zentrale Dörfer mit massiven Häusern gekennzeichnet ist, prägen das äneolithische kleinere, lockerer bebaute und häufiger verlegte kleine Dörfer und Weiler mit kleineren und leichteren Häusern. Jedoch existieren parallel zu den neolithischen Tells zahlreiche zeitgleiche Flachsiedlungen, bei denen trotz lehmreicher „neolithischer“ Bauweise keine Tellbildung einsetzte. Nicht selten ist sogar ein unmittelbares Nebeneinander von tellartigen und einschichtigen Siedlungsteilen zu beobachten. Offenbar setzt sich das neolithische Siedlungssystem des Karpatenbeckens aus Siedlungen mit einem unterschiedlichen Grad an Ortskonstanz und Baukontinuität zusammen, die parallel nebeneinander und in vielen Fällen sogar räumlich eng miteinander verknüpft existieren. Das frühkupferzeitliche Siedlungswesen entsteht also nicht von Grund auf neu, sondern führt viele Aspekte des spätneolithischen fort, während andere verschwinden. Am Beginn der Kupferzeit findet kein sozioökonomisch bedingter Zusammenbruch des neolithischen Siedlungssystems statt, vielmehr verliert das kulturelle Konzept der Orts- und Siedlungskonstanz zunehmend an Bedeutung. 

Im Gegensatz zu den kupferzeitlichen Siedlungen sind aber nun die Gräberfelder ortsgebunden und werden über mehrere Generationen hinweg kontinuierlich belegt. Möglicherweise liegt dem Umstrukturierungsprozess im frühen Äneolithikum ein Wandel hin zu einer stärker auf die Bestattungsplätze als räumliche Konstanten und Bezugspunkte orientierten kulturellen Wahrnehmung und Strukturierung der Landschaft zugrunde.

Es findet kein Bruch am Beginn der Kupferzeit statt, sondern ein allmählicher struktureller und kultureller Wandel, als dessen Antrieb kulturinterne Dynamik eher in Frage kommt als eine lediglich durch externe Stimuli erzwungene Anpassung und wirtschaftliche Optimierung – wenngleich sozioökonomische Faktoren ihrerseits sicher stets integraler Bestandteil der Kulturdynamik sind. Das Ende der neolithischen Tellsiedlungen ist Teil dieser umfassenden Wandlungsprozesse und kann nicht als abruptes Ereignis im Sinn eines sozioökonomischen Zusammenbruchs verstanden werden.



Während des Boreals (ca. 8000–6000 cal. BC) dürfte das Klima tendenziell kontinentaler gewesen sein, mit warmen, trockenen Sommern und kalten, trockenen Wintern. Im Atlantikum (ca. 6000–4000 cal. BC) dehnte sich die atlantisch-maritime Klimazone gegenüber der kontinentalen Zone weiter nach Osten aus, was vergleichsweise wärmere, feuchtere Winter und kältere, feuchtere Sommer mit sich brachte. Im späten Atlantikum und im folgenden Subboreal kehrte sich die Klimaentwicklung schließlich um und führte wieder zu kontinentaleren Klimaverhältnissen.

-----

Kulturgruppen

Das Neolithikum und Äneolithikum des Karpatenbeckens ist geprägt von einer Vielzahl von archäologischen Kulturen, welchen im Allgemeinen fast ausschließlich durch ihre Keramik definiert werden. Die spätneolithischen Tellsiedlungen des Karpatenbeckens gehören den übergeordneten Kulturgruppen Vinča, Sopot, Teiß und Herpály an, die ihrerseits in eine Reihe von Untergruppen untergliedert sind und regionalfließend ineinander übergehen. Besondere Bedeutung kommt der Vinča-Kultur zu, da sie für die meisten Nachbarkulturen einen wichtigen chronologischen Bezugspunkt bildet. Die Kupferzeit (ca. 4500-4000 v.u.Z.) beginnt mit der Tiszapolgár-Kultur, das Spätneolithikum (ca. 5000-4500 v.u.Z.) ist in dieser Benennung gleichbedeutend mit der späten Vinča-Kultur, Lengyel I+II und der Teiß-Kultur, das Mittelneolithikum (ca. 5500-5000 v.u.Z.) umfasst die frühe Vinča-Kultur und die Bandkeramik (in Ostungarn die Alföld-Linienbandkeramik und mit ihr verwandte Gruppen wie die Szakálhát-Kultur). Ca. 6000-5500 v.u.Z. Starčevo / Criş und Körös.

Das Spätneolithikum ist in dieser Benennung gleichbedeutend mit der späten Vinča-Kultur und der Teiß-Kultur, das Mittelneolithikum umfasst die frühe Vinča-Kultur und die Bandkeramik (in Ostungarn die Alföld-Linienbandkeramik und mit ihr verwandte Gruppen wie die Szakálhát-Kultur).

Das Verbreitungsgebiet der neolithischen Siedlungshügel bleibt im Wesentlichen auf die Tiefebene des zentralen Karpatenbeckens beschränkt. In Transdanubien kommt es nicht zur Bildung von Tells, auch in Transsilvanien sind sie selten.  Auch innerhalb der Tiefebene besteht eine regionale Grenze der Tellverbreitung: Nur im Bereich der südlichen Teiß sowie der Körös und Maros kommt es zur Bildung von Tells, während im nördlichen Teißgebiet zwar ebenfalls große Siedlungen entstehen, die sich aber nicht tellartig entwickeln. Eine außergewöhnlich hohe Dichte von jedoch nur kleinen Tellsiedlungen weist das Gebiet der Herpály-Kultur auf,  in einer wesentlich kleineren Region existieren deutlich mehr Siedlungshügel als im gesamten Verbreitungsgebiet der Teiß-Kultur.

Die mittel- und spätneolithische bis frühäneolithische Entwicklung des nördlichen zentralen Balkanraumes und der südöstlichen Teile des Karpatenbeckens wird entscheidend durch die Vinča-Kultur geprägt. Sie bildet aufgrund ihrer geographischen Lage einen wichtigen Verknüpfungspunkt zwischen dem südosteuropäischen und dem mitteleuropäischen Neolithikum. Die ersten Grabungen erfolgten bereits 1908–1934. Grob gesprochen liegt das Kerngebiet der Vinča-Kultur in Nord- und Mittelserbien. Nach Norden erstreckt sie sich ins rumänische Banat; südlich der Maros trifft sie auf die Teiß-Kultur. Im Nordosten entwickelt sich eine siebenbürgische Gruppe. Im Osten erreicht sie das Umfeld des Eisernen Tores und die  Ostserbischen Gebirgsregionen, jenseitsdavon durchmischt sie sich mit der Dudeşti-Kultur. Im Westen reicht sie bis ins nordbosnische Bergland hinein. Im Süden reichen Vinča-Elemente über Südserbien hinaus bis ins Kosovo und nach Makedonien.

Die frühe Vinča-Kultur entwickelt sich aus der vorhergehenden Starčevo-Kultur. Der Übergang ist relativ fließend, was mit der Bezeichnung „Proto-Vinča“zum Ausdruck gebracht wird. Die Vinča-Kultur endet im Donaugebiet früher, als weiter im Süden, wo sie eine eigenständige, lokale Spätphase durchläuft. Im Norden wird sie von der Tiszapolgár-Kultur abgelöst, im Süden und Südosten geht sie in die Bubanj 1a-Kultur über. In der Endphase der Vinča-Kultur und damit des Spätneolithikums insgesamt, bahnen sich weit reichende Veränderungen im kulturellen Gefüge an – dazu gehört auch das Ende der Tellsiedlungen im Karpatenbecken.

Das Spätneolithikum der ostungarischen Tiefebene wird durch die Teiß-Kultur geprägt, die ihr Hauptverbreitungsgebiet entlang des Mittellaufes der Teiß hat und im Süden in Berührung mit der Vinča-Kultur kommt. Die frühkupferzeitliche Nachfolgerin der Teiß-Kultur, die Tiszapolgár-Kultur, geht direkt aus ihr hervor, dehnt sich aber in einem wesentlich größeren Bereich aus. Sie geht ihrerseits wiederum bruchlos in die mittelkupferzeitliche Bodrogkeresztúr-Kultur über.

Die Teiß-Kultur entsteht gegen Ende von Vinča A im südlichen Alföld, dem Gebiet zwischen Körös, Maros und Teiß, ohne größeren Bruch aus der vorangehenden mittelneolithischen Szakálhát-Kultur, ihrerseits eine südliche Variante der späten Alföld-Linienbandkeramik(ALBK). Die ALBK hatte sich als Nachfolgerin der Körös-Kultur in der ostungarischen Tiefebene parallel zu Vinča A und zur transdanubischen Bandkeramik entwickelt.

Durch die Verbindung ihrer kulturellen Wurzeln mit dem balkanischen Raum dürfte die Szakálhát-Kultur einen wesentlichen Faktor für die Entstehung der Tellsiedlungen der Teiß-Kultur gebildet haben, deren Schichten oft bis in die späte Phase der Szakálhát-Kultur zurückreichen. Auffällig ist auch, dass die Tells auf diejenigen Bereiche der Teiß-Kultur beschränkt bleiben, in denen ihr die Szakálhát-Gruppe voranging. Auch die Teiß-Keramik entwickelt sich bruchlos aus ihren Szakálhát-Vorläufern.

Die ebenfalls stark von der Tell-Siedlungsform geprägte Herpály-Kultur, welche sich während der Zeit der klassischen Teiß-Kultur (wohl unter südöstlichen Einflüssen) bildet, entwickelt kontinuierlich in den Proto-Tiszapolgár-Horizont hinein.

Die frühkupferzeitliche Tiszapolgár-Kultur entwickelt sich – was die Keramik angeht – bruchlos aus dem spätneolithischen Teiß-Herpály-Gorzsa-Csőszhalom-Komplex. Sie verbreitet sich aber über ihr Ursprungsgebiet im Alföld hinaus nahezu in der gesamten Tiefebene des mittleren Karpatenbeckens.

Im Gebiet Syrmiens und Slawoniens geht die Vinča-Kultur in die deutlich mit ihr verwandte Sopot-(bzw. Sopot-Lengyel-)Kultur über, die von dort bis nach Nordwestkroatien und Transdanubien verbreitet ist, wo sie wiederum in enger Berührung mit der eigentlichen Lengyel-Kultur steht. Wie die Vinča-Kultur (und im Gegensatz zu Lengyel) kennt auch die Sopot-Lengyel-Kultur Tellsiedlungen. Beide Kulturen entstehen etwa zur selben Zeit und unter gemeinsamen südöstlichen Einflüssen auf der Grundlage des frühneolithischen Starčevo-Substrats. Im Grenzbereich von Vinča und Sopot findet eine Überlappung der beiden Gruppen statt. In der jüngeren Sopot-Kultur der Stufe III lässt der Vinča-Einfluß nach, stattdessen breiten sich nun vermehrt Lengyel-Elemente aus.

Die Zahl der verfügbaren C-14-Daten ist für das Karpatenbecken und den Balkan, verglichen mit anderen Regionen, noch immer sehr gering. Als Zusammenfassung der vorhandenen Daten ergibt sich ein Beginn der Vinča-Kultur etwa um5400 cal. BC, das Ende der Vinča-Kultur (Vinča D2) um 4500–4400 cal. BC. Die frühe Teiß-Kultur (Phase I) beginnt um 5200–5100 cal. BC. Die Dauer der klassischen und späten Teiß-Kultur (Phase II–III) liegt etwa im Zeitraum von 4900–4800 bis 4700–4600 cal. BC. Die Daten der Tiszapolgár-Kultur schließlich liegen im Bereich von ca. 4400–3800 cal. BC. Daraus leitet sich für den Beginn der Kupferzeit in Ostungarn und das Ende der dortigen neolithischen Tellsiedlungen ein grober Datierungsansatz in den Zeithorizont um 4500–4400 cal. BC ab. Parallel zur Tiszapolgár-Kultur im Alföld existiert in Transdanubien weiterhin die späte Lengyel-Kultur– der Beginn der Kupferzeit setzt hier also gegenüber Ostungarn verspätet ein.




--------

Häuser

Die spätneolithischen Häuser des Karpatenbeckens besitzen in aller Regel rechteckige, gelegentlich aber auch trapezförmige Grundrisse. Gegenüber früh- und mittelneolithischen Bauwerken werden die Häuser in einem lang dauernden Prozess tendenziell langgestreckter. Etwa die Hälfte der Bauwerke ist nun größer als 50 m², wogegen im Früh- bzw. Mittelneolithikum 75% bzw. 60% unter diesem Wert lagen. Die spätneolithischen Häuser folgen keinen streng einheitlichen Bauprinzipien, sondern bieten ein breites Spektrum an Variationen mit einem Schwerpunkt auf langrechteckigen Bauten. Die Fußböden bestehen in der Regel aus festgestampftem Lehm, der oft auf hölzerne oder bisweilen auch mit Steinen unterfütterte Substruktionen  aufgetragen wurde. Die Stabilisierung der Wände erfolgte entweder durch einzelne starke und tief reichende Pfosten oder durch Pfostenreihen in Fundamentgräben Die dominierende Wandbauweise ist die Lehm-Flechtwerk-Technik: Ein Pfostengrundgerüst wird mit einem Geflecht aus biegsamen, dünnen Hölzern oder Schilf durchwoben und dieses Wandgerüst anschließend mit Lehm verkleidet.

Der Wandverputz wurde nicht selten durch Ritzungen und Bemalungen, aber auch plastische Applikationen verziert. Die Dicke der Lehm-Flechtwerk-Wände liegt gewöhnlich im Bereich von 20–40 cm. Die Dachkonstruktion der spätneolithischen Häuser stützt sich zumeist auf Innenpfosten in variierender Anzahl und Anordnung. Es sind aber auch Bauten ohne Innenpfosten bekannt; zumindest bei einigen dieser Befunde ist aber unklar, ob die Pfosten tatsächlich nicht vorhanden waren, oder lediglich erhaltungs- bzw. grabungstechnisch bedingt fehlen. In einigen Fällen konnte mit großer Wahrscheinlichkeit Zweistöckigkeit nachgewiesen werden. Das Innere der Häuser wird oft durch Querwände in zwei bis drei Räume unterteilt, aber auch einräumige Häuser sind geläufig. Seit dem Frühneolithikum ist jedoch eine Entwicklung zu mehrräumigen Bauten zu beobachten, die wiederum mit der allgemeinen Tendenz zur Verlängerung der Bauwerke einhergeht. Die gebräuchlichsten fest installierten Einrichtungsbestandteile der Häuser sind Öfen bzw. Herdstellen und Vorratsgefäße (Pithoi, Behälter aus organischem Material oder Lehm, etc.) sowie Lehmbänke oder -plattformen und ähnliche Einbauten. Ergänzt werden sie durch eine Vielzahl beweglichen Inventars (Keramik, Mahlsteine, Webgewichte, Spinnwirtel, verschiedene Werkzeuge, usw.). Oft besitzt jeder Raum eines Hauses einen eigenen Ofen bzw. eine Feuerstelle. Daneben treten in zahlreichen Häusern Objekte auf, die in den meisten Interpretationen in kultischen Zusammenhang gestellt werden (Figurinen, anthropomorphe Gefäße, „Altäre“ bzw. kleine Keramiktischchen). Neben dem mutmaßlichen „Kultinventar“ befinden sich jedoch stets auch Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs.

Während der neolithischen Entwicklung verändern sich die Hausformen: Waren im Frühneolithikum noch vorwiegend kleine, quadratische oder kurz-rechteckige Bauten mit nur wenigen oder ganz ohne Innenpfosten gebräuchlich, werden im Mittel- und Spätneolithikum zunehmend langrechteckige Häuser mit einem Innengerüst aus mehreren Querpfostenreihen errichtet. Gleichzeitig werden die Häuser zwei-oder mehrräumig.


Siedlungen

Die Größe der Siedlungen schwankt in einem sehr breiten Spektrum. Während die kleinsten Tells weniger als 0,5 ha einnehmen, erstrecken sich die größten über 4–5 ha oder mehr. In vielen Siedlungen ist eine mehr oder weniger streng eingehaltene parallele Ausrichtung der Häuser zu beobachten, in manchen sind die Häuser radial auf einen zentralen Punkt ausgerichtet, in anderen wiederum folgen sie keiner erkennbaren Ordnung. Tellsiedlungen werden oft von Gräben (und Wällen oder Palisaden) umgeben. Es existieren sogar Systeme mehrerer konzentrischer Gräben.


Gräber

Der größte Teil der bekannten spätneolithischen Gräber stammt aus den Siedlungen. Erst mit Beginn der frühen Kupferzeit etabliert sich die räumliche Trennung von Siedlungs- und Bestattungsplatz. Die spätneolithischen Siedlungsbestattungen sind meist lose über die Siedlung verstreut. Außerhalb der Siedlungen gelegene Gräberfelder sind für das Spätneolithikum bislang nicht belegt.




--------

"Tell"

Der Begriff "Tell" stammt aus dem Arabischen, gleichwertige Bezeichnungen anderer Sprachen sind„ kôm“ (ägyptisches Arabisch), tepe (Persisch), höyük(Türkisch), magoula oder toumba (Griechisch), mogila (Bulgarisch) sowie die Namensbestandteile -domb und -halom (Ungarisch). Der Wortsinn ist in allen Fällen „Hügel“, bzw. im archäologischen Sinn „Siedlungshügel“. Der Begriff „Tell“ setzte sich aber, verstärkt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auch als Bezeichnung für die Siedlungshügel Südosteuropas und des Karpatenbeckens durch. Gemeinsam ist ihnen jedoch die Tatsache, dass es sich um mehrschichtige Ablagerungen handelt, die in aufeinander folgenden Siedlungsphasen akkumuliert und jeweils von einer jüngeren Bauphase am selben Ort überdeckt wurden, ohne dass der Schutt der älteren Bebauung vorher vollständig abgetragen und entfernt worden wäre. Auf diese Weise kommt es zu Schichtwachstum und nach mehrmaliger Wiederholung des Vorgangs zur Bildung einer mehr oder weniger deutlich in der Landschaft erkennbaren Erhebung – eines Siedlungshügels. Ihre Mehrschichtigkeit macht Tells überall dort, wo sie vorhanden sind, zur bestimmenden Grundlage der relativen Chronologie.

Ob es gerechtfertigt ist, den mit mächtigen Ruinenstätten assoziierten arabischen Begriff „Tell“ auf seine wesentlich kleineren Verwandten des Karpatenbeckens zu übertragen, mag fraglich erscheinen; die Benennung auch dieser Siedlungshügel als „Tells“ hat sich aber durchgesetzt. Pauschalisierende, für alle „Tellkulturen“ gültige Überlegungen sind kaum möglich; hier muss jeder Siedlungs- bzw. Kulturraum individuell verstanden werden.

Der Begriff der „tellartigen Siedlung“ erleichtert die Beschreibung der „Grauzone“ zwischen unstratifizierten (Flach-)Siedlungen einerseits und echten Tells andererseits.


Einige bekanntere Tells sind:
Tell Abu-Schahrein, Mesopotamien, die Ausgrabungsstätte von Eridu, Irak
Tell el-Hiba, Irak, antikes Lagasch
Tell Jokha, Mesopotamien, antikes Umma
Tell Kujundschik, antikes Ninive im Nordirak
Tel Aviv, Israel, hebräisch für „Hügel des Frühlings“
Tel ed-Duwer, Israel, die antike Stadt Lachisch
Tel Dan, arabisch Tell al-Kadi oder Tell el-Qadi, Nordisrael,
Tell Brak, Syrien
Tell Halaf, Syrien, namensgebend für die Halaf-Kultur
Tell el-Obed, Mesopotamien, namengebend für die Obed-Zeit
Tell Hariri, Syrien, antikes Mari
Tell es-Sultan (oder Tell Sultan), Palästina, biblisches Jericho
Tell Karanovo, Bulgarien


aber auch
Göbekli Tepe und Çatalhöyük in der Türkei gehören dazu




Diffusion und Migration

Das wohl extremste Beispiel eines solchen migrationistischen Modells liefert M. Gimbutas, daneben existieren aber auch moderatere Modelle, aber auch die werden als Erklärungen zunehmend unbefriedigender, da der scheinbare Kulturbruch von der aktuelleren Forschung immer mehr relativiert werden muss und kulturelle Kontinuität zwischen Neolithikum und Kupferzeit in immer mehr Teilbereichen wahrscheinlich gemacht werden kann.


Ökonomisch-deterministische und evolutionistische Ansätze

Gehen von dem gemeinsamen Grundgedanken aus, dass eine menschliche Bevölkerung überwiegend passiv auf (externe und interne) Veränderungen reagiert. Ihr Verhalten ist größtenteils determiniert, ökonomischer und kultureller Wandel ist primär eine notwendige, erzwungene Reaktion zur Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen.


Umweltveränderungen und Katastrophenszenarien

Deutungsversuche, bei denen ökologischen oder anderen Katastrophen die Rolle des Impetus für den beobachteten gesellschaftlichen und kulturellen Wandel zugeschrieben wird, haben in der Archäologie lange Tradition und können als Extremform deterministischer Modelle angesehen werden.


Prozessuelle Ansätze

Die prozessualistischen Modelle besitzen meist einen mehr oder weniger explizit evolutionistischen bzw. deterministischen Hintergrund. Als Hauptursache kultureller Entwicklungen werden zumeist ökonomische und ökologische Anpassungs- und Optimierungsstrategien und damit verbunden soziales Macht- und Dominanzstreben angenommen.


Sozioökonomische Ansätze

Unterscheiden sich insofern, als dass sie in stärkerem Maße interne soziale und kulturelle Dynamik neben ökonomischen Prozessen als treibende Kraft gesellschaftlichen Wandels akzeptieren.


Religiöse Interpretationen

Auslöser dieser Verknüpfung sind die in einigen Fundorten entdeckten so genannten „Heiligtümer“, Befunde mit einem vom gewöhnlichen abweichenden Inventar, das in kultischem Kontext gedeutet werden kann (insbesondere Figurinen, anthropomorphe Gefäße, so genannte „Altäre“). Allen voran ist hier das „Heiligtum“ von Parţa anzuführen. Die Ansprache der jeweiligen Befunde als "Kultstätten" ist jedoch nicht unumstritten.


Festzuhalten bleibt, dass keiner der angeführten Interpretationsansätze ein Modell des Endes der spätneolithischen Tellsiedlungen zu liefern vermag, dessen Wahrheitsgehalt objektiv zu überprüfen wäre. Diffusions- und Migrationsmodelle verlieren durch den Nachweis kontinuierlicher Entwicklungen immer mehr an Boden. Ökonomisch-deterministische Modelle bleiben meist den Beleg am archäologischen Befund schuldig. Religionsbezogene und postprozessuale Ansätze schließlich sind ihrer Natur nach nicht geeignet, überprüfbare „Beweise“ zu erbringen. Eine objektive Synthese der verschiedenen Überlegungen ist aufgrund ihrer im Widerstreit liegenden Paradigmen kaum möglich.



(PDF) Das Ende der neolithischen Tellsiedlungen. Ein kulturgeschichtliches Phänomen des 5. Jahrtausends v. Chr. im Karpatenbecken. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 134 (Bonn 2006) | Thomas Link - Academia.edu

Tell (Archäologie) – Wikipedia

Bild: Tell Halaf - Tell Halaf – Wikipedia

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Schöpfungsmythen der Aborigines/Australien

Wie das Land entstand  Zu Anbeginn gab es nur das große Salzwasser. Aus den Tiefen stieg Ungud, die Regenbogenschlange, empor. Steil richtete sie sich auf und warf ihren Bumerang in einem weiten Umkreis über das Meer. Mehrmals berührte der Bumerang auf seinem Flug die Fläche des Salzwassers, und dort schäumte das Wasser auf, und glattes, ebenes Land kam zum Vorschein. Ungud wanderte über dieses neue, weiche Land und legte viele Eier, aus denen neue Urzeitwesen schlüpften. Es waren die Wondjina, und sie wanderten in alle Richtungen. Wie die ersten Männer entstanden Vor langer Zeit schuf Pund-jel der große Schöpfergeist alle Dinge auf der Erde und alle Lebewesen, außer den Frauen. Er trug ein großes Steinmesser bei sich, und als er die Erde schuf, zerschnitt er sie an vielen Stellen, so dass Berge, Täler und Wasserläufe entstanden. Dann schnitt er mit seinem Messer drei größere Rindenstücke. Auf das erste legte er feuchten Ton, den er so lange bearbeitete, bis er glatt

Alteuropa - Überblick

Pleistozän Steinzeit Altsteinzeit Altpaläolithikum Mittelpaläolithikum Jungpaläolithikum Holozän Mittelsteinzeit Jungsteinzeit Kupfersteinzeit Bronzezeit Frühe Bronzezeit Mittlere Bronzezeit Späte Bronzezeit Eisenzeit Historische Zeit Pleistozän Das Pleistozän ist ein Zeitabschnitt in der Erdgeschichte. Es begann vor etwa 2,588 Millionen Jahren und endete um 9.660 ± 40 Jahre v.u.Z. mit dem Beginn der Holozän-Serie, der Jetztzeit. Somit dauerte das Pleistozän etwa 2,5 Millionen Jahre. http://de.wikipedia.org/wiki/Pleistoz%C3%A4n V Steinzeit Pleistozän - Altsteinzeit (Altpaläolithikum, Mittelpaläolithikum, Jungpaläolithikum), Holozän - Mittelsteinzeit, Jungsteinzeit, Kupfersteinzeit Als Steinzeit bezeichnet man den Zeitabschnitt der Menschheitsgeschichte, von dem angenommen wird, dass die damaligen Menschen als Werkstoff vorrangig Stein verwendeten (neben Holz, Knochen und Horn). Sie begann vor 2,6 Millionen Jahren und endete, als die Menschen seit dem 7. Jahrtause

Schöpfungsmythen der Maori (Neuseeland)

Schöpfungsmythos der Maori (Neuseeland) Die Geschichte „der Söhne des Himmels und der Erde.“ Die Himmel, die über uns sind, und die Erde, die unter uns liegt, sind die Erzeuger der Menschen und der Ursprung aller Dinge. Denn früher lagen die Himmel auf der Erde, und alles war Finsternis. Nie waren sie getrennt gewesen. Und die Kinder des Himmels und der Erde suchten den Unterschied zwischen Licht und Finsternis zu entdecken —  zwischen Tag und Nacht; denn die Menschen waren zahlreich geworden; aber die Finsternis währte noch fort. Im Andenken an diese Zeit sagt man: „während der Nacht“, „die erste Nacht“, „von der ersten bis zur zehnten Nacht, von der zehnten bis zur hundertsten, von der hundertsten bis zur tausendsten“ — , was bedeuten soll, dass die Finsternis ohne Grenzen und das Licht noch nicht vorhanden gewesen war. So ratschlagten die Söhne Kangi’s (des Himmels) und Papa’s (der Erde) miteinander und sprachen: „Lasset uns Mittel suchen, um Himmel un