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Königliche Inschrift Ur-Nanše


Ur-Nanše 06b
Q001050, RIME 1.09.01
CDLI no. P431040
frühdynastisch ED IIIb (ca. 2500-2340 v.u.Z.)
Lagash
National Museum of Iraq, Baghdad


(1) Ur-Nanše, König von Lagaš, Kind von Gunidu, Bürger von Gursar, baute den (Tempel) Bagara aus gebrannten Ziegeln. Er grub den Bagara aus. 
(7) Er baute das Ebgal (Tempel für Inanna). Er baute den Tempel von Nanše. Er baute den Schrein von Ĝirsu. Er baute die Kinir. Er baute den Tempel von Ĝatumdug. Er baute das Tiraš. Er baute die Nin-ĝara. Er baute den Tempel von Ninmarki. Er baute den E-Dam. Er baute die Kame. Er baute das Abzu-ega. Er baute die Stadtmauer von Lagas.
 
(10) Er grub den Pa-Saman-Kanal. Er grub den A-Suhur-Kanal. 

(3) Er gestaltete (die Statue von) Ninmarki. Er gestaltete (die Statue von) Nineš-REC107. Er gestaltete (die Statue von) Ninĝidru. Er gestaltete (die Statue von) Šul-šagana [zu Ningirsus Familie gehörend]. Er gestaltete (die Statue von) Kindazid ["der rechte Barbier"]. Er gestaltete (die Statue von) Gušudu [„der/die die Abgabe in den Händen hält“]. Er gestaltete (die Statue von) Lama-u-e [Schutzgottheit]. Er gestaltete (die Statue von) Lugal-urtur. [„Held der Hürde (Stadtmauer)“] 
[die Zeilen bedeuten aber wohl, dass der König eine Statue von seiner eigenen Person im Tempel des jeweiligen Gottes schuf]

(1) Der Anführer von Lagaš zog gegen den Anführer von Urim (Ur) und den Anführer von Umma in die Schlacht. 
(6) Der Anführer von Lagaš besiegte den Anführer von Urim und nahm ihn gefangen. Er nahm den Kapitän der Kähne gefangen. Er nahm die Kapitäne Ama-barage-si und Kišibĝal gefangen. Er nahm Pap-ursaĝ gefangen, Kind von .... Er nahm die Kapitäne [...] und [...] gefangen. Er häufte Grabhügel auf. 
(11) Er besiegte den Anführer von Umma. Er nahm die Kapitäne Lupada und Pabilga-lala gefangen. Er nahm Pabilgal-tuku, den Herrscher von Umma, gefangen. Er nahm Kapitän Ur-pusaĝ gefangen. Er nahm den Hauptkaufmann Hursaĝše-mah gefangen. Er häufte Grabhügel auf. 

(7) Der Anführer von Umma.






„Leichenhügel und Zauberkreise. Die gestaltende Kraft der Sprache in den Königsinschriften Ur-Nanšes“

Stefano Seminara
2014, KASKAL 11

Halb Hymne, halb Baubericht, stellt U-N 32 unter all den bekannten Königsinschriften einen Sonderfall dar. Die Inschrift spiegelt die Experimentierfreudigkeit der Zeit Ur-Nanšes wider. Vor der Zeit Ur-Nanšes war der Text der Königsinschriften sehr kurz. In dieser Hinsicht ist die Regierung von Ur-Nanše als innovative Zeitzu betrachten. Seine Nachfolger (vor allem Eannatum, Enmetena und UruKAgina) nahmen sich seine längste Inschrift (U-N 6b) zum Vorbild für ihre noch ausführlicheren Texte.

In den Königsinschriften von Ur-Nanšes wurde die sumerische Schrift erstmals zu langen und strukturierten Texten entwickelt. Im Vergleich mit all den anderen Inschriften Ur-Nanšes zeigt U-N 6b  folgenden Besonderheiten:
- Es handelt sich um einen unregelmäßig bearbeiteten Stein, der später im Tempel Bagara sekundär als Angelstein wiederverwendet wurde. Trotz der Unregelmäßigkeit des Stückes ist der Text vollständig erhalten, was vermuten lässt, dass die gegenwärtige Gestalt des Steines dem ursprünglichen Zustand entspricht.
- Typologisch ist diese Inschrift insofern auffällig, als sie zunächst all die vom König errichteten Tempel und dann erst die entsprechenden Statuen aufzählt (im Gegenteil zum üblichen Muster, nach dem jede Statue unmittelbar nach dem dazugehörigen Tempel erwähnt wird).
- Unter einem inhaltlichen Gesichtspunkt ist U-N 6b die älteste bekannte Königsinschrift, inder ein Kriegsbericht zusammen mit einem Baubericht zu finden ist. In Bezug auf den Krieg werden hier zum ersten Mal die Hügel erwähnt, die der siegreiche König aus den Leichnamen der Gefallenen aufschütten ließ.
- Die letzte Besonderheit von U-N 6b ist die ungewöhnliche Formel lu₂ umma.ki („der Mann/Herrscher von Umma“) , die den Text schließt und keinen offensichtlichen Bezug auf den vorhergehenden Satz hat. Womöglich bedeutet es, dass Ur-Nanše, dessen Titulatur lú-Lagaš („der Mann/Herrscher von Lagaš“) lauten musste, infolge seiner Siege gegen Ur und Umma nun auch den Titel „der Mann/Herrscher von Umma“) beanspruchen konnte.

- anhand der Inschrift U-N 9 sind die Götter Šulša(gana), Gušudu und Kindazi mit dem Heiligtum von Girsu in Zusammenhang zu bringen, und der Gott Lamma’u’e mit dem Tempel von Nin-MARKI
- anhand der Inschrift U-N 11 sind Šulša(gana) mit dem Heiligtum von Girsu, Lugal-ur-tùr und Lugal-URUxKAR mit dem Ibgal,
d.Nin-REC107-èš und Ningidru mit dem Ki-NIR in Verbindung zu bringen

Das Auffallendste an diesen Verbindungen zwischen Göttern und Tempeln/Gebäuden in einigen (nicht allen) Inschriften Ur-Nanšes besteht darin, dass die Hauptgötter, denen die Tempel/Gebäude gewidmet sind, nicht erwähnt werden.

Bagara: Ningirsu
Ibgal: Inanna
Tiraš: Ningirsu
É-dam: Baba (?)

- Die Tempel werden nicht in der Reihenfolge des Zeitpunkts ihrer Errichtung behandelt
- auch von einer theologischen Hierarchie kann nicht die Rede sein
- auch ein geografisches Ordnungsprinzip ist auszuschließen
- Mit wenigen Ausnahmen (U-N 2, 5, 9, 6b) stehen der Tempel von Ningirsu (É-Ningirsu oder Èš-Girsu) und der von Nanše (É-Nanše) immer wechselweise an erster bzw. an zweiter Stelle
- Man kann daraus die vorläufige Schlussfolgerung ziehen, dass ein Baubericht in der Regel mit der Erwähnung eines der wichtigsten Stadttempel (des von Ningirsu oder des von Nanše) begann und mit der Errichtung der Stadtmauer endete. Nicht klar ist hingegen, wodurch die spezifische Reihenfolge der anderen Tempel und Gebäudeinnerhalb des Bauberichts konditioniert ist.
- U-N 6b lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Errichtung des Bagara Anlass der gesamten Inschrift war und daher Bagara vor den wichtigeren Tempeln genannt wird

Die Frage, wen – Gott oder König – die von Ur-Nanše hergestellten Statuen darstellten, ist nicht unbedeutend. Eine göttliche Statue muss verehrt werden; im Gegensatz dazu muss die königliche Statue zu einem Gott beten bzw. (d.h. der sumerischen Frömmigkeit und Denkweisegemäß), einen bestimmten Gott um etwas bitten.

Der Kriegsbericht, der in seiner ausführlichsten Form den Sieg gegen die Feinde, die Wiederherstellung der alten Grenzen, die Errichtung der Grenzstelen und die Aufschüttung der Leichenhügel einschließt, ist als selbstverständliche Fortsetzung des Bauberichts zu betrachten. Aus sumerischer Sicht sind die Leichenhügel nicht eindeutig zu unterscheiden von Stadtmauern, Dämmen und Grenzstelen: Genau wie diese sind sie als topographischer Bestandteil des Weltbildes zu verstehen und dienen insbesondere zur Festlegung der Stadtgrenzen. Die erschlagenen und in Leichenhügel transformierten Feinde dienten schließlich zum Schutz der siegreichen Stadt. Die Annahme, dass die Leichenhügel nicht nur die Grenzen festlegten, sondern diese auch magisch verteidigten, lässt sich anhand der Inschrift U-N 32 untermauern. Hier wird der Baubericht (Bau des Tempels von Girsu) durch ein Ritual (Hymne auf das heilige Rohr) eingeführt, das mit der Erwähnung eines Zauberkreises endet:
„Enki hat einen Zauberkreis geworfen“.
Magische Rituale müssen demnach schon zur Zeit Ur-Nanšes eine wichtige Rolle in der königlichen Bautätigkeit gespielt haben.

Die Inschrift ist somit nicht nur eine Schilderung des Weltbilds: Sie schafft die Welt und stellt sie unter einem magischen Schutz.





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