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Das weibliche Ideal in neu-assyrischer Zeit



nach:Amy Rebecca Gansell
St. John's University

Unter Berücksichtigung neoassyrischer Skulpturen, Siegel und Schmuck sowie Elfenbein-Figuren, konzentriert sich dieser Text auf Frauenbilder und die Ideale weiblicher Schönheit, die sie in elitären assyrischen Kontexten verkörperten. Die Wiederherstellung und Rekonstruktion einer Ästhetik, die nur indirekt durch Kunst, Kleidung und Texte bewahrt wurde, kann gelingen, indem die konsistente Darstellung bestimmter physischer Merkmale, Kleidungsstile und ikonografischer Motive, in denen die Künstler einen gemeinsamen Prototyp bei der Darstellung archetypischer Frauen verewigt haben, betrachtet wird. Neben den neu-assyrischen Quellen dienen auch levantinische Luxusgüter, die von den Assyrern gesammelt wurden, als zusätzliche Orientierung. Auch die in Gräbern unter dem Nordwestpalast von Nimrud entdeckten, verschwenderisch gekleideten königlichen Frauen unterstützen die visuellen Beweise für eine ideale weibliche Schönheit während des neun und achten Jahrhunderts v.u.Z..

Das ideale, altorientalische Männerbild wurde durch eine aufrechte Haltung, einen muskulösen Körperbau und einen langen, dunklen, dicken, lockigen Bart und eine Frisur gekennzeichnet. Die neu-assyrischen Vorstellungen von idealer weiblicher Schönheit im Bezug auf die äußeren Eigenschaften umfassten ein volles Gesicht mit großen, kosmetisch verstärkten, dunklen Augen, dichtem, dunklem, frisierten Haar, einen sinnlich-üppigen Körper und ein reich verziertes Kleid.

Die neo-assyrische königliche Kunst, die ausländische weibliche Gefangene darstellt, bietet eine visuelle Kategorie von absichtlich nicht idealisierten Figuren. Die Gefangenen, die wahrscheinlich die Töchter und Ehefrauen feindlicher Herrscher waren, werden schmucklos und manchmal barfuß und ohne Frisur dargestellt. Im Gegensatz dazu werden assyrische Königinnen mit gestylten Haaren gezeigt, die von Kopf bis Fuß prächtig ausgestattet sind. Unter den großen und kleinen, lokalen und importierten Bildern von Frauen scheinen vor allem Haare und Kleidung die Merkmale zu sein, die von Handwerkern und vermutlich von Betrachtern am meisten beachtet wurden. In der Kunst des Nahen Ostens wurden weibliche Gesichter durchweg praller und breiter als männliche Gesichter dargestellt. Ein weiches, rundes Gesicht zeigte das Geschlecht an, und es war wahrscheinlich auch ein spezifisches Merkmal der weiblichen Schönheit. Bilder von Elite-Frauen betonen die Fülle des Gesichts durch auffällig pausbäckige Wangen, fleischige Kiefer und manchmal ein doppeltes Kinn. Dies wird durch ein Bronzerelief veranschaulicht, das Naqia, die Frau von Sennacherib (704 v.u.Z.), darstellt, eines, welches die Königinmutter von Esarhaddon (680-669 v.u.Z.), sowie das Assurbanipal’s Königin Liballi-sharrat darstellt. Viele levantinische Elfenbeinfiguren betonten diese Eigenschaften ebenfalls, bspw. bei der sogenannten "Mona Lisa von Nimrud". In Bezug auf die Form des weiblichen Körpers deuten die Befunde auf eine Vorliebe für üppige Form hin. Die neu-assyrische Kunst zeigt königliche Frauen als etwas kleiner und kurvenreicher als ihre männlichen Kollegen.

Der Kopf Sowohl die Assyrer als auch ihre Feinde, die ähnliche Formen der körperlichen Bestrafung und Hinrichtung anwendeten, betrachteten den Kopf und die Bilder von diesen als besonders verletzliche und lebenswichtige Bereiche. So zeigt bspw. die „Gartenparty” in Assurbanipal’s Nordpalast in Ninive, den enthaupteten Kopf eines elamitischen Königs, der inmitten eines königlichen Banketts an einem Baum hängt. Das Gesicht der Königin ist erkennbar voller als das des Herrschers’s bärtiges Gesicht. Aber die Gesichter des Königs und der Königin (Assurbanipal und vermutlich Liballi-sharrat) wurden brutal beschädigt, möglicherweise von elamitischen Soldaten, die den Palast als Vergeltung für die Hinrichtung ihres Anführers durchsuchten.

Augen Augen sind das auffälligste Gesichtsmerkmal in der mesopotamischen Figurenkunst, und die Analyse levantinischer Elfenbeinskulpturen bestätigt mathematisch ein konsistent übergroßes Verhältnis der Augenhöhe zur Gesichtslänge. In den Elfenbeinskulpturen wurden Augen und Augenbrauen häufig mit dunklen Materialien eingelegt oder mit Pigmenten geschwärzt, wodurch sie noch weiter betont wurden. Obwohl künstlerische Konventionen für die Darstellung von Augen nicht nur für weibliche Figuren gelten, wird die spezifische Rolle der Augen für die weibliche Schönheit durch Referenzen in der Liebesliteratur gestützt: Enlil sagt zum Beispiel zu Sud: „Küss mich, meine Frau mit den schönsten Augen”. Mit kohlehaltiger Kosmetik wurden die Augen dunkel umrissen. Der Göttin Inanna’s Augen Make-up heißt „Lass einen Mann kommen; Lass ihn kommen!”, und ein Beiname von Inanna lautet: „der Kajal von [ihrem Geliebten] Dumuzi”.

Haare
In der neo-assyrischen Kunst weisen männliche, weibliche und Eunuchenfiguren ähnliche lockige Frisuren auf. Die Bildhauer deuteten auf die ästhetische Bedeutung von kunstvoll gestylten Haaren hin und zeichneten einzelne Strähnen und Windungen ab. Levantinische Figuren weisen eine andere Typologie von Frisuren auf, sind aber auch wellig oder lockig, meist schulterlang und detailgetreu wiedergegeben. Dreidimensionale nackte Elfenbeinfiguren neigen dazu, besonders langes Haar zu haben, was möglicherweise üppige Frisuren mit dem erotisierten weiblichen Körper verbindet. In den Nimrud-Gräbern waren zwar keine Haare oder Perücken erhalten, aber ein goldener Kopfschmuck aus Sarg 2 in Grab III mit einem besonders breiten, starren Durchmesser (24 cm) könnte dazu bestimmt gewesen sein, über einer dick frisierten Frisur getragen zu werden. In den Särgen gefundene Holz- und Elfenbeinkämme weisen ferner auf eine Kultur der Pflege und des Stylings der Haare hin. Neo-assyrische Texte beschreiben keine Frisuren, aber ein Gedicht aus dem zweiten Jahrtausend v.u.Z. zeigt die Bedeutung von gestyltem Haar als Teil der weiblichen Selbstdarstellung. Bevor Inanna ihren Liebhaber trifft, erklärt sie, dass ihre Haare „zerzaust war", sie es "gerade richtete" und ihre "losen Locken fest zog und an die Seite ihres Nackens warf". Archäologische Funde weisen darauf hin, dass das Haar einiger verschiedener Figuren mit Goldfolie überzogen war, eine Technik, die einen angenehmen Glanz verleihen sollte.

Körper
Physikalische Sauberkeit ist in der Kunst nicht offensichtlich, wird aber in der Literatur der neu-assyrischen Zeit diskutiert. Zum Beispiel baden die Göttinnen Ereshkigal und Tashmetu, bevor Sie das Schlafgemach ihrer Geliebten betreten. Im Gilgamesch-Epos, wird Ninsun´s rituelles Bad beschrieben. Bevor sie Shashash Opfer darbringt, wäscht sie sich mit Wasser, das nach den Reinigungsmitteln Tamariske und Seifenwürze duftet. Archäologische Beweise belegen die Bedeutung und den Luxus der persönlichen Sauberkeit und Pflege sowie die Wertschätzung für luxuriöse Toilettenartikel.N eben Kämmen, kosmetischen Werkzeugen und Behältern wurden in den Nimrud-Gräbern Kisten, Gläser, Flaschen und Schalen aufbewahrt, in denen sich Flüssigkeiten und Salben befanden. Kleine Behälter und größere Gefäße wurden zusammen mit Spiegeln entdeckt. Im Sarkophag von Grab II wurde ein Bronzespiegel mit einem mit Elfenbein eingelegten Griff und einer Goldschale gefunden, die elf winzige Goldflaschen enthielt. Weibliche Akte zeigen runde Brüste und volle Hüften und Oberschenkel. Bei den levantinischen Elfenbeinskulpturen nackter Frauen sind die Körper auch kurvenreich, aber normalerweise schlanker als bei assyrische Figuren.

Kleidung 
Insgesamt umfasst die visuell bestätigte Zusammenstellung der idealen Frauenkleidung eine Kopfbedeckungen, Ohrringe, eine Halskette, Armbänder, ein Kleidungsstück und Schuhe. Im Mythos von Nabu und Tashmetu bittet Tashmetu Nabu, sie vor dem Liebesspiel zu schmücken: „Mein Herr, lege einen Ohrring an mich; Lass dich verwöhnen… ”. Der Abstieg von Ishtar dramatisiert die Beziehung zwischen Kleidung und göttlicher Kraft. Wenn die Göttin die Totenwelt betritt, zieht sie ihre Krone, Ohrringe, Halsperlen, Brustschmuck, Gürtel, Armbänder, Fußkettchen und Kleidungsstücke ab. Infolgedessen verliert sie ihre göttlichen Kräfte. Während dieser Zeit, in der sie schmucklos, machtlos und in der lebenden Welt abwesend ist, kann kein Mann eine Frau schwängern. In den Nimrud-Gräbern sind auch Kleidungselemente erhalten geblieben, die mit Schmuckstücken vergleichbar sind, die auf den an diesem Standort gefundenen levantinischen Elfenbeinskulpturen abgebildet sind.

Während der gesamten Geschichte der mesopotamischen Literatur spielen Blumenmotive auf Sexualität an. Neu-assyrische Bilder von Männern sowie Königinnen, Göttinnen und archetypischen weiblichen Figuren wurden mit Blumenmotiven in Verbindung gebracht, die sich auf Fruchtbarkeit bezogen. Innerhalb des neu-assyrischen Palastes wurde die weibliche Sexualität hauptsächlich durch Bilder von frontal posierten nackten Frauen angezeigt, die auf einer Reihe von neu-assyrischen Siegeln und levantinischen Elfenbeinskulpturen abgebildet waren.

Personifizierende Reinheit war die assyrische Königin (und spätere Königinmutter) Naqia. Sie war auch bekannt als „Zakutu”, das akkadische Äquivalent des levantinischen Namens Naqia; beide Namen bedeuten „rein, sauber, unschuldig”.


Unter den Verstorbenen war Shalmaneser V.’s (r. 726-722 v.u.Z.) Ehefrau, deren Inschriften durch zwei Namen gekennzeichnet sind: „Yaba” und „Banitu."

"Yaba” war höchstwahrscheinlich ihr gebürtiger levantinischer Name (basierend auf der hebräischen Wurzel yph; „Banitu” (abgeleitet von banû), das semantische Äquivalent auf Akkadisch, welches ihr möglicherweise gegeben wurde, als sie in den assyrischen Hof heiratete. Beide Namen bedeuten „gut geformt”. Ihr Kleid sollte womöglich ihre Schönheit im Laufe ihres Lebens, während ihrer Beerdigungen und vielleicht symbolisch auch im Jenseits verewigen. Die Grabartefakte liefern auch konkrete Beweise für die Art und Weise, in der Palastfrauen ihr Aussehen durch Kosmetik und Kleidung verbesserten, während die Blumenbilder den dazugehörigen sozialen Wert der weiblichen Fruchtbarkeit verschönerten.



Skulptur eines weiblichen Gesichts, bekannt als „Mona Lisa von Nimrud.” Nimrud, 8. Jh. v.u.Z.; Elfenbein, h.16 cm. Irakisches Nationalmuseum







(PDF) “Images and Conceptions of Ideal Feminine Beauty in Neo-Assyrian Royal Context, c. 883-627 BCE,” , pp. 391-420, in Critical Approaches to Ancient Near Eastern Art, ed. M. Feldman and B. Brown, Boston: Walter de Gruyter, 2013. | Amy Rebecca Gansell - Academia.edu



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