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Streitwagen


Die Kombination von Zugtier und Wagen wurde offenbar an mehreren Orten erfunden. So wurden von den Sumerern im 3. Jahrtausend v.u.Z. schwere, von Ochsen oder Pferden gezogene zwei- oder vierrädrige Wagen mit Scheibenrädern zu Transportzwecken eingesetzt. Die vierrädrigen sumerischen Wagen werden noch nicht als Streitwagen angesehen. Als Erfinder des Streitwagens gelten heute die Träger der Sintaschta-Kultur in den Steppen, wo zuvor auch der vierrädrige Wagen einen seiner Ursprünge hatte.


Spätere Nutzer des Streitwagens im Alten Orient waren in Mesopotamien die Mitanni, von denen ihn Hethiter und Assyrer übernahmen. Durch die Hyksos kam der Streitwagen nach Ägypten. Zwischen Hethitern und Ägyptern kam es 1274 v.u.Z. in der Schlacht bei Kadesch zum bekanntesten Einsatz von Streitwagen.

Der Streitwagen des zweiten Jahrtausends v.u.Z. war wesentlich leichter als die späteren antiken Fahrzeuge. Ihre Bauart war zunächst sehr einfach und bestand aus zwei Rädern und einem einfachen Steg zur Befestigung am Pferd. Das Speichenrad löste das schwerere Scheibenrad ab und wurde ebenfalls im zweiten Jahrtausend auf einem Streitwagen, Relief im großen Tempel von Abu Simbel (ca. 1265 v.u.Z.) verwendet.

Die hethitischen Streitwagen – zu ihrer Zeit vielleicht die stärkste Waffe der Welt – wurden zuerst mit zwei, später mit drei Mann besetzt: Anfangs gab es einen Bogenschützen und einen Wagenlenker, der beide mit einem Schild beschützte, später kam ein dritter Krieger hinzu, der den Schild übernahm und für den Nahkampf ausgerüstet war. Ein großer Vorteil der hethitischen und ägyptischen Streitwagen, die von zwei Hengsten gezogen wurden, war ihre leichte Bauweise. Dies sorgte dafür, dass ein einziger Mann ein solches Gefährt tragen konnte: Ein erhaltener ägyptischer Wagen, den man in Florenz besichtigen kann, wiegt nur 24 Kilogramm. Anders als etwa die Perser nutzten die Hethiter Streitwagen vorwiegend als Fernkampfwaffen, von denen aus man den Gegner beschießen und sich dann schnell zurückziehen konnte. Eine hethitische Inschrift ist es auch, die Streitwagen erstmals erwähnt: Großkönig Anitta (Hethiter) zog mit 40 von diesen in die Schlacht. In der Schlacht von Kadesch kommen nach ägyptischen Quellen volle 3500 zum Einsatz – 7000 Pferde und 10500 Mann Besatzung.

Das Alte Testament erwähnt mehrfach den Einsatz von Streitwagen, zum Teil ausdrücklich als »eiserne Wagen«. Ebenso finden sie Erwähnung im Rigveda, was ihre Existenz zu dessen Entstehungszeit in der Mitte des 2. Jahrtausends v.u.Z. in Indien belegt. In der Ilias werden Streitwagenkämpfer beschrieben. Auch in China tauchen Streitwagen zu ähnlicher Zeit auf. Das älteste Streitwagengrab (nicht Wagengrab) datiert von 1200 v.u.Z., zur Zeit der Shang-Dynastie. In Westasien bzw. Europa übernahmen um die Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. Perser und Kelten den Streitwagen. Der letzte bekannte kriegerische Einsatz von Streitwagen fand 83/84 u.Z. in der Schlacht am Mons Graupius auf keltischer Seite statt.




Bild: Sumerische, vierrädrige Pferdegespanne auf der Standarte von Ur (etwa 2850 bis 2350 v.u.Z.)




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