Eckart Otto, Altersversorgung im Alten Orient und in der Bibel, in: Eckart Otto, Altorientalische und biblische Rechtsgeschichte. Ges. Studien, BZAR 8, Wiesbaden 2008, 367-393 (Harrassowitz)
Sohnespflichten
Die Fürsorge für die alten Menschen ist im Palästina des 1. Jt. v. Chr. wie im gesamten antiken Vorderen Orient eine Aufgabe der Familien, nicht aber öffentlicher Institutionen.
Die keilschriftlichen tuppi maruti (Adoptionsurkunden) und tuppi s(h)imti (letztwillige Verfügungen) geben einen Eindruck von den Pflichten gegenüber den Eltern.
In der aus Nuzi stammenden Adoptionsurkunde JEN59,12-23 wird festgelegt, welche Verpflichtungen aus der familienrechtlichen Abhängigkeit resultieren:
„Solange Hanadu lebt, wird Hutija die Abhängigkeit von ihm respektieren. Hutija wird alljährlich ein Gewand zu seiner Kleidung, 5 imer Gerste, 2 imer Weizen zu seiner Ernährung an Hanadu geben. Wenn Hanadu stirbt, wird Hutija ihn beweinen und begraben“
In das Aqhtu-Epos aus der spätbronzezeitlichen Handelsstadt Ugarit ist in KTU1.17 I 26-33 ein Katalog von Sohnespflichten eingefügt. Im Erzählkontext erbittet der Gott Ba‘lu vom Hochgott Ilu einen Sohn. Die aufgelisteten Sohnespflichten sind nicht typische Pflichten eines Königssohnes, sondern gelten für jeden Sohn:
- den Schutz des Vaters vor tödlicher Bedrohung
- den Schutz vor Feinden
- Pflichten in der geistigen Gemeinschaft, wie Trinkgelage des Totenkultes
- die Unterstützung des Vaters in den Nöten des Alltagslebens
Der Sohn hat also Pflichten in Familienreligion und Tempelkult der offiziellen Religion wahrzunehmen, gleichermaßen aber auch den Schutz des Vaters und seine Versorgung im Alltag sicherzustellen.
Adoption
Die altbabylonischen Adoptionsurkunden aus dem Archiv des Mannum-meshu-lishshur verbunden mit weiteren Adoptionsurkunden aus dem altbabylonischen Nippur, unterscheidet vier Arten von Adoptionen:
1. ein Sohn oder mehrere Söhne werden von einem Mann adoptiert
2. -II- werden von einem Ehepaar adoptiert
3. -II- werden aus einer früheren Ehe eines neu vermählten Ehepartners stammend von dessen neuem Ehepartner adaptiert
4. die Adoption einer Frau meist durch eine Frau
Die Adoptionen der ersten Klasse dienen der Versorgung des Adoptanten im Alter. In keinem dieser Verträge wird der Adoptierte mit der Sanktion der Sklaverei im Falle der Vertragsauflösung bedroht. Die zweite Kategorie bezieht die Ehefrau des Adoptanten mit ein. In diesen Verträgen fehlen Bestimmungen, die den Adoptierten verpflichten, für die Altersversorgung der Adoptanten zu sorgen. Diese Klasse beurkundet Adoptionen, die der Versorgung eines kinderlosen Ehepaars mit Nachkommen dienen. Die Adoptionen der dritten Kategorie dienen der Vervollständigung der Familie bei einer zweiten Ehe eines der Ehepartner durch Integration von Kindern aus erster Ehe.
Der Mittelassyrische Kodex berichtet:
MAG § 46 „Wenn eine Ehefrau, deren Ehemann gestorben ist, beim Tod ihres Ehemannes nicht aus ihrem Haus herausgeht, wenn ihr Ehemann ihr nichts überschrieben hat, wohnt sie im Haus ihrer Söhne, wo es ihr gefällt. Die Söhne ihres Ehemannes ernähren sie. Ihre Speise und ihren Trank liefern sie wie einer Braut, die sie lieben. Wenn sie eine zweite Ehefrau ist, es keinen Sohn von ihr gibt, wohnt sie bei einem (der Stiefsöhne). Gemeinsam sorgen sie für ihren Lebensunterhalt. Wenn sie eigene Söhne hat, die Söhne der ersten Ehefrau sich ihrem Lebensunterhalt versagen, wohnt sie im Hause ihrer eigenen Söhne, wo es ihr gefällt. Ihre eigenen Söhne sorgen für ihren Unterhalt und tun ihr Werk. Wenn aber unter den Söhnen ihres Ehemannes einer ist, der sie heiraten will, heiratet er sie (und) sorgt für ihren Lebensunterhalt. Ihre Söhne sorgen nicht für ihren Unterhalt“
In Gen 38,8 wird der Zweck der Leviratsehe so beschrieben: „Geh mit der Frau deines Bruders die Leviratsehe ein und schaffe deinem Bruder Nachkommen“
Dtn 25,5: „Wenn zwei Brüder zusammen wohnen und einer von ihnen stirbt, der keinen Sohn hat, so soll die Witwe nicht die Frau eines fremden Mannesaußerhalb der Familie werden. Ihr Schwager soll sich ihrer annehmen, sie heiraten und die Leviratsehe mit ihr vollziehen."
Aus dem (assyrischen) Keilschriftrecht ist noch bekannt:
„Wenn ein awilum seiner Ehefrau ein Feld, einen Garten, Haus oder Gutschenkt und ihr eine gesiegelte Urkunde ausstellt, können nach dem Tod ihres Ehemannes ihre Söhne keine Klage auf Herausgabe gegen sie erheben. Die Mutter wird ihren Nachlass ihrem Sohn, den sie liebt, geben. Sie braucht ihn keinem anderen zu geben“ (CH § 150).
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