Der Wehklagepriester (kalû) tritt ab dem dritten und zweiten Jahrtausend v.u.Z. in Erscheinung und ist in den Kontext von Ritualen und Beerdigungen involviert, welche Aufführungen mit Musikinstrumenten und Rezitationen von Gebetsliedern der Genres balaĝ, eršema und eršaḫuĝa im Emesal-Dialekt beinhalten. Der Beruf des Wehklagepriesters wird in der späten neo-assyrischen Zeit, insbesondere während der Regierungszeit von Esarhaddon (680–669 v.u.Z.) Und seinem Sohn Assurbanipal (668–627 v.u.Z.) besonders hervorgehoben.
Als eine der fünf wichtigsten wissenschaftlichen Disziplinen am assyrischen Hof stand der Kalû („Wehklagepriester“) neben dem āšipu („Magier / Exorzist“), dem bārû (Wahrsager"), dem ṭupšarru oder ṭupšar Enūma Anu Enlil ("Schreiber / Astronom") und dem asû ("Arzt"). Oberste Wehklagepriester wie Urad-Ea und sein Sohn und Nachfolger Nabû-zēru-iddina gehörten zum inneren Kreis des assyrischen Königs und schrieben regelmäßig Briefe an den König über Feste und Aufführungen vor Planeten und Göttern.
Im Interesse der Herrscher entstanden auch verschiedener Textserien zu astronomischen Vorzeichen (Enūma Anu Enlil), Vorzeichen von Geburtsanomalien (Šumma izbu), Omen aus menschlicher Physiognomie (Alamdimmû usw.) und Sprache (Kataduqqû) und Omen aus verschiedenen terrestrischen Erfahrungen und Begegnungen (Šumma ālu). Ein bedeutender Teil der Bibliothek in Ninive bestand aus Tafeln oder Kopien von Tafeln, die aus babylonischen Städten im Süden stammen, die unter die Hegemonie des neoassyrischen Staates gefallen waren. Ein Brief an Assurbanipal (BM 28825), der über den Status des Sammelns und Kopierens von Tafeln aus Archiven in Babylon berichtete, enthält die Anweisungen des Königs, nach welchen Genres gesucht werden soll.
"An Assurbanipal ... den König, unseren Herrn, der sich wie ich treu den Schreibkünsten verneigt (ṭupšarrūtu), schrieb uns wie folgt: '[Bringt mir?] die Gesamtheit der schreibenden Künste, die Weisheit der Götter Ea und Asalluhi, ... Šumma izbu (Vorzeichen von Geburtsanomalien), Šumma ālu (Erfahrungen und Begegnungen), die Künste des Magiers (āšipūtu), die Künste des Klagepriesters (kalûtu), die Künste des Musikers (nârūtu), und alle schreibenden Künste, soweit es sie gibt, die sich im Besitz des großen Herrn Marduk, meines Herrn, befinden. ... diese zwölf Gelehrten haben [die Gesamtheit der schreibenden Künste, die sie beaufsichtigen] inspiziert, (und) diese in ihrem Innern wie angehäufte Waren gehortet ... sie haben die ganze Nacht wachgehalten (und alles aufgeschrieben); sie werden das Eigentum des Großfürsten Marduk nicht vernachlässigen ...".
In einem weiteren Brief an die Stadt Borsippa listete der König detailliert bestimmte Titel der zu erwerbenden Keilschriftwerke auf und forderte seine Gelehrten auf, nach „seltenen Tafeln zu suchen, die Ihnen bekannt sind, sich aber nicht in Assyrien befinden“. Diese Briefe deuten darauf hin, dass die Agenten des Königs sich in der Keilschriftwissenschaft bestens auskennen und in der Lage waren, neue oder innovative Kompositionen zu erkennen, Tafeln verschiedener Genres genau zu kopieren und sie nach den Bedürfnissen der Bibliothek zu kategorisieren.
Die Wehklagekünste lernten oft unter der Aufsicht ihrer Väter. Mehrere wichtige Familien von kalûs in der neo-babylonischen und seleukidischen Zeit behaupteten, Nachkommen der historischen oder legendären Figur Sîn-lēqi-unninni zu sein, welcher der Gilgamesch-Epos zugeschrieben wird.
Die wissenschaftlichere Astronomie verdrängt im ersten Jahrtausend v.u.Z. zunehmend die Weissagung durch Verwendung von tierischen Eingeweiden als bevorzugte Methode der Wahrsagerei. Insbesondere für die Wehklagepriester implizieren dies, sich auch mit astronomischen Ideen und Methoden zu beschäftigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. So hatte die Familie Iddin-Papsukkal von kalû´s seit der frühen neo-babylonischen Zeit herausragende Positionen in der Verwaltung von Borsippa inne, breitete sich aber später auch auf die Städte Ur und Uruk aus.
Astronomische Deutungen, wie „Warum weint der Sonnengott Šamaš? Die Tränen des Mondgottes Ella-mê fließen. “ standen durch die Metapher des "weinenden Mondes" für eine Mondfinsternis. Dieser Ausdruck festigte sich und wurde als technische Terminologie in Finsternisberichten noch in der Seleukidenzeit verwendet. Astronomische Überlieferungen wurden sowohl für den Wehklagepriester als auch für den Magier wesentlicher Bestandteil des Studiums.
Ein Gefühl für die Arten von Tafeln, die von Priestern im Besitz genommen und kopiert wurden, kann der ausgegrabenen Bibliothek im südöstlichen Torgebäude des Bīt rēš, dem Tempel des Gottes Anu im seleukidischen Uruk, entnommen werden. Die etwa 170 Keilschrifttafeln dieser Bibliothek stammen aus den Jahren 192–162 v.u.Z. und gehörten Anu-bēlšunu und seiner Familie von Kalû´s, die von Sîn-lēqi-unninni abstammen wollten. Die meisten Texte bestehen aus Gebetsliedern, Ritualen und Schreibkompositionen kultischer Natur, sowie einer Gottesliste und Kommentaren zu Ritualen und Gottheiten. Aus dieser Bibliothek stammt auch die berühmte „Liste der Könige und Weisen", die Könige mit Weisen zusammenbringt, was bedeutet, dass Gelehrte in späteren Zeiten die intellektuellen Nachfolger der vor-sintflutlichen Weisen waren. Auch die Serie Maqlû war in einem einzelnen Fragment belegt.
Aufgrund des wachsenden Interesse an Astronomie scheint es, dass manche Kommentar auf Keilschrifttafeln die Bestrebung hatten, astronomische Bedeutung für gut etablierte Textserien zu finden, die ursprünglich wenig mit der Astronomie zu tun hatten.
Tafel LBAT 1601 = BM 34647
"In Bezug auf die Omenserie Šumma izbu (Vorzeichen von Geburtsanomalien), die diagnostische Omenserie Sa-gig und die physiognomische Omenserie Alamdimmû. …
Wenn im Kopf der Konstellation Ziegenfisch (Steinbock) einer der Planeten seine erste Sichtbarkeit hat oder einen stationären Punkt oder einen maximalen Breitengrad erreicht (und / oder) ein zweiter (Planet) darin steht, werden Frauen Zwillinge gebären. ..... "
Die Tafel EBC, mit ähnlichem Text, schließt dann mit folgenden Kolophon ab:
".... 7. Einspaltige Tafel von Nabû-šumu-līšir, Sohn von Ea-uballissu, Nachkomme des šangû-Priesters des Gottes Bēl-ṣarbi. 8. Der Wehklagepriester von Bēl-ṣarbi schrieb und überprüfte diese Tafel, 9. welche das Personal der Balaĝ-Klage mit dem Titel abzu pe-el-la2-am3 betrifft (wörtlich "Die verunreinigten Apsû"), "Wasser (Wortspiel für "Söhne") der Apsû" sind ihr Name. ...
Wenn im Kopf der Konstellation Ziegenfisch (Steinbock) einer der Planeten seine erste Sichtbarkeit hat oder einen stationären Punkt oder einen maximalen Breitengrad erreicht (und / oder) ein zweiter (Planet) darin steht, werden Frauen Zwillinge gebären. ..... "
Die Tafel EBC, mit ähnlichem Text, schließt dann mit folgenden Kolophon ab:
".... 7. Einspaltige Tafel von Nabû-šumu-līšir, Sohn von Ea-uballissu, Nachkomme des šangû-Priesters des Gottes Bēl-ṣarbi. 8. Der Wehklagepriester von Bēl-ṣarbi schrieb und überprüfte diese Tafel, 9. welche das Personal der Balaĝ-Klage mit dem Titel abzu pe-el-la2-am3 betrifft (wörtlich "Die verunreinigten Apsû"), "Wasser (Wortspiel für "Söhne") der Apsû" sind ihr Name. ...
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